Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichheitssatz. Kündigungsfrist. Sanitäts-, Heizungs-, Klimatechnik. Zulässigkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen bei Arbeitern und Angestellten
Leitsatz (redaktionell)
1. Beruht die Schlechterstellung der Arbeiter bei tarifvertraglichen Kündigungsfristen nur auf einer pauschalen Differenzierung zwischen Gruppen der Angestellten und der Arbeiter, fehlt es an einem sachlichen Grund für eine unterschiedliche Kündigungsfristenregelung. Sachlich gerechtfertigt sind dagegen hinreichend gruppenspezifisch ausgestaltete unterschiedliche Regelungen, die z. B. nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe nicht intensiv benachteiligen oder bevorzugen, oder funktions-, branchen- oder betriebsspezifischen Interessen im Geltungsbereich eines Tarifvertrags mit Hilfe verkürzter Kündigungsfristen für Arbeiter entsprechen, wobei auch andere sachliche Differenzierungsgründe nicht ausgeschlossen sind.
2. Werden die gewerblichen Arbeitnehmer, wie in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbranche ganz überwiegend in der Produktion eingesetzt, während die Angestellten weit überwiegend in der Verwaltung und ggf. Arbeitsvorbereitung tätig sind, ist ein besonderes Interesse der Arbeitgeber anzuerkennen, auf Konjunktureinbrüche und Auftragsrückgänge im produktiven Bereich unmittelbar und ohne erhebliche Zeitverzögerung reagieren zu können. Dies vermag eine Differenzierung bei den Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten zu rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 622 Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 18.03.2009; Aktenzeichen 7 Ca 251/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 18.03.2009, Az.: 7 Ca 251/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung darüber, ob das seit dem 06.10.2008 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 20.02.2009 in Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des 31.03.2009 oder aber in Anwendung des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellte des Metallverarbeitenden Handwerks im Wirtschaftsgebiet Rheinland-Rheinhessen vom 11.11.1977 (im Folgenden: MTV) bereits mit Ablauf des 28.02.2009 seine Beendigung gefunden hat.
Der Beklagte betreibt einen Handwerksbetrieb der Sanitär- und Heizungstechnik. Der Kläger war dort als Kundendienstmonteur beschäftigt. § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 23.09.2008 sieht u. a. Folgendes vor:
„…
3. Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweiligen Tarifverträge für das SHK-Handwerk.
…”
Der genannte Manteltarifvertrag, abgeschlossen zwischen dem Fachverband (Landesinnungsverband) Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Rheinland-Rheinhessen, Koblenz und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Bezirksleitung Frankfurt, sieht in § 22 u. a. Folgendes vor:
„…
2. Gewerbliche Arbeitnehmer
2.1. Bei Einstellung des Arbeitnehmers kann eine Probezeit bis zu vier Wochen vereinbart werden. Während dieser Zeit besteht gegenseitige eintägige Kündigungsfrist.
2.2. Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist:
bei einer Betriebszugehörigkeit |
|
bis zu einem Jahr: |
1 Woche |
bei einer Betriebszugehörigkeit |
|
von mehr als einem Jahr: |
2 Wochen |
bei einer Betriebszugehörigkeit |
|
von mehr als fünf Jahren: |
3 Wochen |
bei einer Betriebszugehörigkeit |
|
von mehr als zehn Jahren: |
4 Wochen |
Abweichend von den vorangegangenen Absätzen gelten nach Maßgabe der Bestimmungen des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 folgende Kündigungsfristen
nach Vollendung des 40. Lebensjahres |
|
und fünfjähriger Betriebszugehörigkeit: |
1 Monat |
nach Vollendung des 45. Lebensjahres |
|
und zehnjähriger Betriebszugehörigkeit: |
2 Monate |
nach Vollendung des 55. Lebensjahres |
|
und zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit |
3 Monate |
zum Vierteljahresende |
|
2.3. Stichtag für die Berechnung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit ist der dem 1. Januar folgende Arbeitstag. Die Ausbildungszeit im Sinne des Berufsbildungsgesetzes im gleichen Betrieb ist auf die Betriebszugehörigkeit anzurechnen.
…
3. Angestellte
3.1. Die Probezeit beträgt 3 Monate. In begründeten Ausnahmefällen kann sie bis zu insgesamt sechs Monaten verlängert werden. Während der Probezeit gilt eine beiderseitige Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende.
…
3.3. Im übrigen gelten für die Kündigung die gesetzlichen Bestimmungen.”
Im Übrigen wird hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 18.03.2009, Az.: 7 Ca 251/09 (Bl. 20 ff. d. A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit dem Antrag
festzustellen, dass durch die Kündigung des Beklagten vom 20.02.2009 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 28.02.2009 beendet werden wird, sondern u...