Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflicher Anspruch auf Urlaubsgeld bei unerheblichen Einwendungen der Arbeitgeberin zur rechtzeitigen und vollständigen Geltendmachung vor Fälligkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen; behauptet die Anspruchstellerin vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich die Anspruchsgegnerin auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen, so dass die rasche Klärung des Anspruchs bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht wird.
2. Auch wenn eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen widerspricht, liegt eine Besonderheit vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann; das ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht.
3. Tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, der Schuldnerin zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen sie zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird; die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird.
4. Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauerhafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen; steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (wie etwa der Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme, so dass für die Schuldnerin kein Zweifel bestehen kann, was von ihr verlangt wird, und die Gläubigerin ohne weiteres davon ausgehen darf, dass sie ihrer Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat.
Normenkette
MTV-Einzelhandel-RP § 16; TV-Sonderleistungen-Einzelhandel-RP §§ 2-3
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 07.02.2013; Aktenzeichen 1 Ca 2331/11) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7.2.2013 - 1 Ca 2331/11 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsgeld für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 2.014,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen. Die weitergehende Klage auf Zahlung von Urlaubsgeld für diese Jahre wird abgewiesen.
2)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Jahre 2009, 2010 und 2011 tarifliche Sonderleistungen in Höhe von insgesamt 2.566,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Klage auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen für diese Jahre wird abgewiesen.
3)
Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin eine tarifliche Einmalzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 88,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen.
4)
Die Klage auf Zahlung tariflicher Altersvorsorgebeträge für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 1.106,84 € wird abgewiesen.
5)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Arbeitsvergütung für November 2011 in Höhe von 736,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2011 zu zahlen.
6)
Die Beklagte wird verurteilt, das der Klägerin mit Datum vom 1.6.2011 ausgefertigte Zwischenzeugnis in den Sätzen 1 und 2 wie folgt zu ändern:
a) "Frau A., geboren am ........1959 in F., trat zum ......1982 als Fachverkäuferin in die Dienste des von mir geführten Modehauses. Dort ist sie als Teilzeitkraft im Verkauf der Filiale K-Center tätig".
b) Der Unterschrift der Beklagten ist ihr Name in Druckschrift hinzuzufügen und das Zwischenzeugnis umgehend neu zu übersenden.
II.
Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Die Klägerin hat 16 % und die Beklagte 84 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren über mehrere Zahlungsansprüche der Klägerin auf Grundlage der Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel in Rheinland-Pfalz, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Tarifverträge auf das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Darüber hinaus streiten die Parteien im vorliegenden Berufungsverfahren über einen Anspruch der Klägerin auf Berichtigung eines ihr...