Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeitverträge. Gleichbehandlungsgrundsatz. Überforderungsschutz. Gleichbehandlungsgrundsatz beim Abschluss von Altersteilzeitverträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestimmt der Arbeitgeber für Altersteilzeitanträge einen Stichtag in der Zukunft, obwohl er die Überlastquote schon überschritten hat, muss er bei der Gewährung dieser freiwilligen übertariflichen Leistung den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.
2. Um den berechtigten Arbeitnehmern die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob sie Altersteilzeitanträge stellen wollen, hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass ihnen dieser Stichtag bekannt wird. Sonst kann es zu einer zufälligen faktischen „Überholung” von Arbeitnehmern mit älteren Rechten kommen.
Normenkette
ATzG § 1; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 17.06.2005; Aktenzeichen 9 Ca 1296/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.06.2005 – 9 Ca 1296/04 – aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Angebot der Klägerin vom 15.12.2003, Eingang 02.08.2004, auf Umwandlung des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach dem Blockmodell gemäß tarifvertraglicher Vereinbarung ab dem 01.12.2004 zuzustimmen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens 9 AZR 111/07 vor dem BAG.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages hat.
Die im November 1949 geborene Klägerin ist seit 1979 als Verwaltungsangestellte für die Beklagten tätig. Sie arbeitet die Hälfte der tatsächlichen Vollarbeitszeit. Die Beklagte beschäftigt durchschnittlich 990 Arbeitnehmer.
Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden der BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dazu gehört auch der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 05.05.1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 30.06.2000, Hinsichtlich des Wortlauts der hier maßgeblichen Regelung des § 2 wird auf das zwischen den Parteien ergangene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.04.2008 – 9 AZR 111/07 – (S. 2, 3 = Bl. 219, 220 d.A.) Bezug genommen.
Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt ein zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft ver.di geschlossener Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Beschäftigten und zur Weiterentwicklung des Standorts A-Stadt, Klinikum für Psychiatrie und Neurologie – vom 29.05.2001 (TV Soz). Dort war bis zum 31.12.2004 bestimmt:
„§ 12
Altersteilzeit
Sofern Beschäftigte die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) vom 05. Mai 1998 beantragen, erklärt sich das Klinikum bereit, diesen Anträgen bei allen Beschäftigten, die die persönlichen Voraussetzungen nach dem Altersteilzeitgesetz und dem TV ATZ erfüllen, zu entsprechen, soweit dringende betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.”
Diese Regelung wurde mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben.
Die Klägerin führte am 15.12.2003 ein Informationsgespräch mit der für Altersteilzeitfragen zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten M. Diese formulierte noch am selben Tag einen Antrag, mit dem Altersteilzeitarbeit im Blockmodell verlangt werden sollte. Die Arbeitsphase sollte von Dezember 2004 bis November 2008 dauern, die Freistellungsphase von Dezember 2008 bis November 2012. Frau M. wies in dem Beratungsgespräch nicht auf die Fünfprozentgrenze des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG hin. Die Klägerin reichte den Altersteilzeitantrag zunächst nicht bei der Beklagten ein.
Die Beklagte entschied sich im Juni 2004, die ab 01.07.2004 eingehenden Altersteilzeitanträge abzulehnen. Sie schloss noch Anfang Juli 2004 mehrere Altersteilzeitarbeitsverträge. Die Angebote der Arbeitnehmer waren der Beklagten vor dem 01.07.2004 zugegangen.
Die Klägerin reichte den von Frau M. im Dezember 20034 vorformulierten Altersteilzeitantrag am 02.08.2004 bei der Beklagten ein. Die Beklagte lehnte das Angebot mit Schreiben vom 06.08.2004 mit der Begründung ab, dass sie schon mit mehr als 5% ihrer Arbeitnehmer Altersteilzeitvereinbarungen getroffen habe. Die Fünfprozentgrenze war nach Zugang des Antrags der Klägerin tatsächlich überschritten. Fünf Arbeitnehmer, mit denen die Beklagte zuvor Altersteilzeitarbeitsverträge geschlossen hatte, waren im selben Jahr wie die Klägerin geboren. Eine weitere Arbeitnehmerin gehörte einem späteren Geburtsjahrgang an.
Die Klägerin hat vorgetragen,
die sogenannte Überforderungsklausel finde auf Altersteilzeitansprüchen nach dem TV ATZ und dem TV Soz bereits deshalb keine Anwendung, weil die Tarifverträge die Fünfprozentquote nicht erwähnten. Jedenfalls habe die Beklagte bei der Auswahl der Antragstelle...