Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzuwendung. Übung, betriebliche. Sonderzuwendung und betriebliche Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

Kraft betrieblicher Übung entsteht ein Gratifikationsanspruch, wenn der Arbeitgeber eine Gratifikation wiederholt und vorbehaltlos gewährt und dadurch für den Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand des Inhalts entsteht, der Arbeitgeber wolle sich auch für die Zukunft binden. Ein derartiger Vertrauenstatbestand entsteht regelmäßig nach dreimaliger Zahlung der Gratifikation, falls nicht besondere Umstände dagegen sprechen oder der Arbeitgeber bei jeder Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat.

 

Normenkette

BGB § 311 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 06.07.2006; Aktenzeichen 4 Ca 563/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.07.2006, Az.: 4 Ca 563/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von restlicher Sonderzuwendung.

Die Klägerin zu 1) war bei dem Beklagten, der eine Apotheke betreibt, und seinen Rechtsvorgängern während der Zeit vom 02.05.1998 bis 31.12.2005 als Apothekerin in Teilzeit gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgeltes in Höhe von zuletzt 2.267,97 EUR brutto beschäftigt. Für die Jahre 1998 (anteilig) bis 2004 bezog die Klägerin eine jährliche Sonderzuwendung, die vorbehaltlos am 30.11. des jeweiligen Kalenderjahres in Höhe eines übertariflichen Monatsverdienstes gezahlt wurde. Zum 01.01.2005 trat der neue Bundesrahmentarifvertrag vom 02.11.2004, geschlossen vom Arbeitgeberverband Deutscher Apotheker und der Apothekergewerkschaft X. (im Folgenden: BRTV), in Kraft (Bl. 8 ff. d. A.). Dieser Tarifvertrag sah erstmals die Möglichkeit einer Kürzung der tariflichen Sonderzuwendung, die bislang in Höhe eines tariflichen Monatsverdienstes geschuldet war, vor.

Am 07.05.2001 trat die Klägerin der Apothekergewerkschaft X. bei; zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte bereits Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes.

Der Beklagte zahlte für das Kalenderjahr 2005 unter Berufung auf die tarifliche Kürzungsmöglichkeit eine Sonderzuwendung in Höhe der Hälfte eines tariflichen Monatsverdienstes. Die Klägerin bat, zusammen mit weiteren Arbeitskolleginnen, den Beklagten mit Schreiben vom 29.11.2005 (Bl. 19 d. A.) um schriftliche Darlegung der wirtschaftlichen Gründe, welche die Kürzung notwendig machen.

Hierauf erwiderte der Beklagte in einem Schreiben ohne Datum (Bl. 20 ff. d. A.) dem als Anlage ein Schreiben seines Steuerberaters vom 04.11.2005 (Bl. 17 ff. d. A.) nebst einer grafischen Darstellung beigefügt waren.

Anschließend hat die Klägerin die vorliegende Klage auf Leistung einer restlichen Sonderzuwendung für das Kalenderjahr 2005 in Höhe der Differenz zwischen einem übertariflichen Monatsverdienst und dem gezahlten Betrag beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Tatbestandes und hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.07.2006 (dort Seite 2 – 6 = Bl. 67 – 71 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. EUR 1.133,99 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.12.2005 zu zahlen;
  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2. EUR 1.360,78 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.12.2005 zu zahlen

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Urteil vom 06.07.2006 (Bl. 66 ff. d. A.) stattgegeben; wegen der Entscheidungsgründe wird auf Seite 5 ff. des Urteils (Bl. 72 d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen diese Entscheidung, die ihm am 21.07.2006 zugestellt worden ist, am 08.08.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 06.10.2006 sein Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 06.10.2006 verlängert worden war.

Der Beklagte macht geltend,

entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes handele es sich bei der vom Beklagten für das Kalenderjahr 2005 geschuldeten Sonderzahlung nicht um eine rechtlich in einen tariflichen und übertariflichen Anteil gliederbare Leistung. Insbesondere könne der übertarifliche Anteil an der Sonderzahlung nicht kraft betrieblicher Übung Vertragsinhalt geworden sein, zumal auch dieser Anteil der Kürzungsmöglichkeit aus § 18 BRTV unterliege. Nach dieser tariflichen Regelung sei dem Apothekeninhaber die Möglichkeit eingeräumt worden, eine Sonderzahlung zu reduzieren, wenn es ihm aus wirtschaftlichen Gründen notwendig erscheine. Im Gegenzug erhalte der Arbeitnehmer einen halbjährigen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Hierbei handele es sich um ein ausgewogenes tarifliches Gesamtpaket, bei dem die Kürzungsmöglichkeit bewusst in das weitgehen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge