Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeber. Auflösungsantrag. Kündigung, fristlose. Unzumutbarkeit. Weiterbeschäftigung. Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach außerordentlicher Kündigung, Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ergeht im Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers in erster, aber auch in zweiter Instanz ein obsiegendes Urteil, müssen „zusätzliche Umstände” hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.

2) Die schlagwortartige Zusammenfassung der Kündigungsvorwürfe genügt nicht, um „zusätzliche Umstände” darzulegen.

3) Nach Ausspruch einer unberechtigten fristlosen Kündigung kann der Arbeitgeber keinen Auflösungsantrag stellen. Ein „verfassungskonforme Reduktion” der §§ 9, 13 KSchG durch richterliche Rechtsfortbildung ist weder veranlasst noch zulässig.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611; KSchG §§ 13, 9

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 27.09.2006; Aktenzeichen 6 Ca 526/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 27.09.2006, Az.: 6 Ca 526/06, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des erstinstanzlichen Urteilstenors wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die der Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages Weinkellereien Rheinland-Pfalz entsprechen.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Weiterbeschäftigung der Klägerin und einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Die Klägerin (geb. am 06.12.1955, verheiratet, zwei Kinder) ist seit dem 01.09.1992 im Betrieb der Beklagten als kaufmännische Angestellte in Teilzeit (75 %-Stelle) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Weinkellereien und Weinhandlungen für das Bundesland Rheinland-Pfalz Anwendung. Das Monatsgehalt der Klägerin beträgt nach Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages EUR 2.000,13 brutto.

Die Klägerin ist seit 2002 Betriebsratsmitglied; seit dem 01.05.2005 ist sie stellvertretende Vorsitzende des 15-köpfigen Betriebsrates. Sie wurde nach § 38 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt.

Mit Schreiben vom 16.03.2006 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos gekündigt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 27.09.2006 (Bl. 119 – 133 der Akte) stattgegeben und die Beklagte außerdem (in Ziffer 2 des Tenors) verurteilt,

die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß als Sachbearbeiterin Export weiterzubeschäftigen.

Mit Beschluss vom 05.12.2006 hat der Betriebsrat die Freistellung der Klägerin nach § 38 BetrVG durch Abberufung beendet. Diesen Abberufungsbeschluss hat die Klägerin in dem Beschlussverfahren 6 BV 23/06 vor dem Arbeitsgericht angefochten und gleichzeitig die Feststellung begehrt, dass sie weiterhin amtierendes Betriebsratsmitglied ist.

Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit der Aufhebung der Freistellung am 05.12.2006 als kaufmännische Angestellte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel weiter.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Teil-Urteil vom 26.04.2007 (Bl. 305 – 318 d. A.) die Berufung der Beklagten hinsichtlich der fristlosen Kündigung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit einer Nichtzulassungsbeschwerde (4 AZN 1051/07).

In dem Beschlussverfahren 4 TaBV 67/06 (11 BV 8/06) hat das Landesarbeitsgericht mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 22.03.2007 den Antrag der Beklagten, die Klägerin wegen grober Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Betriebsrat auszuschließen, zurückgewiesen.

In dem weiteren Beschlussverfahren 6 BV 23/03 hat das Arbeitsgericht Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, mit inzwischen ebenfalls rechtskräftigem Beschluss vom 03.05.2007 festgestellt, dass die Klägerin weiterhin amtierendes Betriebsratsmitglied ist, und zwar solange sie aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren weiterbeschäftigt wird, längstens bis zur nächsten Betriebsratswahl. Den Antrag, festzustellen, dass der Betriebsratsbeschluss vom 05.12.2006 zur Abberufung der Klägerin als freigestelltes Betriebsratsmitglied unwirksam ist, hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auf Anregung der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2007 ihren ursprünglichen Weiterbeschäftigungsantrag geändert und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die der Bewertungsgruppe VIII des...

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