Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Benachteiligungsverbot. Diskriminierung. Entschädigung. Präventionsverfahren. Sachgrund. Schwerbehinderung. Verlängerung. Befristung ohne Sachgrund
Leitsatz (redaktionell)
1. Die einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen während der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags ist befristungsrechtlich nicht von Bedeutung. Eine derartige Vereinbarung unterliegt nicht der Befristungskontrolle. Sie enthält keine erneute, die bereits bestehende Befristungsabrede ablösende Befristung, die ihrerseits auf ihre Wirksamkeit überprüft werden könnte. Bei der sachgrundlosen Befristung kommt eine derartige Auslegung grundsätzlich nicht in Betracht.
2. Die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 TzBfG erstreckt sich auch auf schwerbehinderte Arbeitnehmer, die kündigungsrechtlich besonders geschützt sind. Das Auslaufen der kalendermäßigen Befristung ist an sich kein Umstand, der auch nur indiziell eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale vermuten lässt.
3. Ein wirksam befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Der kalendermäßige Fristablauf steht von vornherein fest. Er stellt nicht den Eintritt von „personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten” i.S.v. § 84 Abs. 1 SGB IX dar, die zur „Gefährdung” des Arbeitsverhältnisses führen können. Ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer ist nicht durch den Fristablauf „gefährdet”, es endet vielmehr automatisch mit Fristablauf. Dies ist keine Benachteiligung wegen Behinderung i.S.v. § 7 AGG und auch mit europarechtlichen Grundsätzen vereinbar. Die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf steht auch im Einklang mit der am 18.03.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 7; SGB IX § 84 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 17.05.2010; Aktenzeichen 4 Ca 145/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17. Mai 2010, Az.: 4 Ca 145/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31.12.2009 geendet hat sowie über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen.
Der Kläger (geb. am 11.01.1959, verheiratet) ist ein schwerbehinderter Mensch. Er schloss mit der Beklagten, die einen Baufachmarkt betreibt, am 25.09.2007 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.02.2008 bis zum 31.12.2008. Danach wurde er als Mitarbeiter für den Bereich Verkauf und Lager zu einem Bruttomonatsentgelt von EUR 2.300,00 eingestellt. Die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers war der Beklagten bei der Einstellung bekannt.
Die Parteien vereinbarten am 23.09.2008 die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2009. Am 10.12.2008 vereinbarten sie wegen der wirtschaftlich schwierigen Situation der Beklagten eine Reduzierung des Bruttomonatsentgelts auf EUR 2.116,00, beginnend mit dem 01.01.2009.
Mit seiner am 20.01.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend. Außerdem verlangt er eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung sowie die Zahlung von Urlaubsgeld. Wegen weiterer Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien und der Sachanträge in erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.05.2010 (dort Seite 2-4 = Bl. 52-54 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung von Urlaubsgeld stattgegeben und die weitergehende Klage mit Urteil vom 17.05.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei wirksam bis zum 31.12.2009 befristet worden. Mit der Vereinbarung vom 10.12.2008 auf Reduzierung des Arbeitsentgelts sei kein neues befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen, sondern nur der Inhalt des bereits wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses modifiziert worden. Der Verlängerungsvertrag vom 23.09.2008 sei nicht lediglich ein „Vorvertrag” gewesen, wie der Kläger meine. Die spätere Absenkung des Arbeitsentgeltes habe keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung bis zum 31.12.2009 gehabt. Auch die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung des § 84 Abs. 1 SGB IX sei unbegründet. Die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses stelle bereits begrifflich keine „Gefährdung” im Sinne des § 84 SGB IX dar. Diese Vorschrift wäre lediglich dann einschlägig, wenn dem Kläger vor Ablauf der Befristung eine Beendigung des Arbeitsverhältniss...