Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung "demnächst" innerhalb einer Frist von 19 Tagen. Unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz als fristloser Kündigungsgrund. Entbehrlichkeit der Abmahnung bei nicht zu erwartender Verhaltensänderung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer Zustellung der Klage innerhalb von 19 Tagen gilt diese als "demnächst".

2. Verzögerungen bei der Bearbeitung der Klage in der Geschäftsstelle gehen nicht zu Lasten des Klägers. Er ist jedoch verpflichtet, sich zu kümmern.

3. Das unentschuldigte Fehlen ist auch ohne Abmahnung geeignet, als wichtiger Grund für eine Kündigung zu gelten.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 13 Abs. 1 S. 2, § 4 S. 1, § 7; ZPO §§ 167, 172 Abs. 1 S. 1, § 174 Abs. 3 S. 3, §§ 189, 253 Abs. 1; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 08.01.2020; Aktenzeichen 4 Ca 2211/19)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 8. Januar 2020, Az.: 4 Ca 2211/19, abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine verhaltensbedingte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten.

Der 1976 geborene, keinen Unterhaltsverpflichtungen unterliegende und geschiedene Kläger war bei der Beklagten seit dem 11. Juli 2013 als Versandmitarbeiter beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,75 Stunden zuletzt 2.274,72 €.

Die Beklagte betreibt ein Logistikunternehmen und beschäftigt in der Regel circa 1.800 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.

Seit dem 28. Juni 2019 blieb der Kläger ohne jede Meldung der Arbeit fern. Unter dem 2. Juli 2019 (Bl. 42 d. A.), forderte die Beklagte den Kläger auf, unverzüglich die Arbeit ordnungsgemäß zu Schichtbeginn wiederaufzunehmen und unverzüglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 28. Juni 2019 nachzureichen. In diesem Schreiben heißt es weiter:

"Sollten Sie Ihre Arbeit nicht unverzüglich, spätestens bis zum 09.07.2019 wieder aufnehmen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 28.06.2019 vorlegen, werden wir Ihr Arbeitsverhältnis fristlos kündigen."

Nach Zugang dieses Schreibens am 4. Juli 2019, meldete sich der Kläger auf der Krankenhotline der Beklagten und hinterließ eine Nachricht auf dem Band. Hier teilte er mit, dass er am nächsten Tag auf jeden Fall zur Arbeit erscheinen werde. Dennoch erschien der Kläger weiterhin nicht zur Arbeit.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2019 (Bl. 44 ff. d. A.) hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zu der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Mit Schreiben vom 12. Juli 2019 (Bl. 47 d. A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten um 14.55 Uhr mit, dass er keine weitere Stellungnahme abgeben werde. Er gab zur Begründung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung an: "MA war für den BR nicht erreichbar".

Mit Schreiben vom 12. Juli 2019 (Bl. 5 d. A.), ausgefertigt und unterschrieben von Frau R. um 15.00 Uhr, dem Kläger am 13. Juli 2019 zugegangen, sprach die Beklagte daraufhin die streitgegenständliche außerordentliche und fristlose Kündigung, hilfsweise ordentliche und fristgerechte Kündigung zum 30. September 2019 aus.

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit seiner am 5. August 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. In der Klageschrift war als Prozessbevollmächtigte die D. in D-Stadt angegeben. An diese, genauer in das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) der angestellten Rechtsanwältin Frau Dr. Z., wurde die Klage vom Arbeitsgericht am 9. August 2019, 7: 18 Uhr übersandt.

Zu diesem Zeitpunkt war die D. noch nicht von der Beklagten prozessbevollmächtigt. Nachdem das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 22. August 2019 (Bl. 14 d. A.) das Empfangsbekenntnis zur Klagezustellung angefordert hatte, teilte Frau Rechtsanwältin Dr. Z. mit Schriftsatz vom 22. August 2019 (Bl. 12 d. A.) dem Gericht mit, dass sie nicht prozessbevollmächtigt seien; die an sie vorgenommene Zustellung der Klageschrift sei unwirksam. Das elektronische Empfangsbekenntnis könnten sie daher nicht abgeben.

Die Klage wurde sodann an die Beklagte selbst am 24. August 2020 - wie aus der Zustellungsurkunde Bl. 16 d. A. ersichtlich - zugestellt.

Ihre sodann von der Beklagten für das vorliegende Gerichtsverfahren erteilte Prozessvollmacht zeigte die L. Rechtsanwaltsgesellschaft (durch Frau Rechtsanwältin Dr. Z.) am 27. August 2019 gegenüber dem Arbeitsgericht an.

Nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils forderte die Beklagte den Kläger durch Schreiben vom 29. Januar 2020, dem Kläger zugestellt am 30. Januar 2020, auf, am 3. Februar 2020 um 6.30 Uhr die Arbeit wieder aufzunehmen. Nachdem der Kläger nicht erschien, entschied sich die Beklagte, erneut eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit auszusprechen. Der B...

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