Entscheidungsstichwort (Thema)

Beachtung eines geänderten Telefax-Anschlusses durch Anwalt. Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Telefaxverkehr hat der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß die Mitteilung über die Änderung der Telefax-Nr. des Berufungsgerichts dauerhaft organisatorisch umgesetzt wird (Anschluß an BGH, Beschl. v. 24.03.94 – NJW 94, 1660 f.). Hierzu genügt nicht die Eintragung der Änderung in ein aktuelles Periodikum (hier: Anwaltsverzeichnis), welches in der Kanzlei jeweils in der neuesten Auflage als Faxverzeichnis der Gerichte benutzt wird. Hat die Neuauflage die Änderung nicht berücksichtigt, benutzt die – zuverlässige – Angestellte, wie in der Kanzlei üblich, die Neuauflage und wählt sie die dort abgedruckte falsche (ehemalige) Fax-Nr., so ist dem Rechtsanwalt und gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Partei die hierdurch verursachte Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO als Verschulden (Organisationsverschulden) zuzurechnen. Hierin liegt kein Widerspruch zu BAG, Urteil vom 30.03.1995 – NJW 95, 2742 f., da das Verschulden nicht in einer fehlenden Überprüfung der Angestellten durch den Rechtsanwalt liegt, sondern darin, daß organisatorisch nicht die Voraussetzung für das Wählen der richtigen Fax-Nr. geschaffen war.

 

Normenkette

ArbGG § 66; ZPO §§ 233, 519 Abs. 1, § 85 II

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 01.06.1995; Aktenzeichen 7 Ca 177/95)

 

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.06.1995 – 7 Ca 177/95 – wird als unzulässig verworfen.

3. Der Antrag der Klägerin auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung wird abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine fristlose Kündigung der Beklagten.

Die Beklagte, welche ein Reinigungsunternehmen (Wäsche) betreibt, wirft der Klägerin Manipulationen bei ihrer Tätigkeit als Ladnerin vor, die ihr zumindest teilweise bis zu einer Kontrolle am 14./15.01.1995 unbekannt gewesen seien.

Die Klägerin hat die Vorwürfe der Beklagten bestritten und beantragt.

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26.01.1995 – zugegangen am 27.01.1995 – nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 01.06.1995 – 7 Ca 177/95 – hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage stattgegeben.

Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.

Gegen dieses ihr am 27.07.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.08.1995 Berufung eingelegt und die Berufung am 21.09.1995 begründet. Zudem hat die Beklagte hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist mit Schriftsatz vom 08.09.1995, eingegangen am 11.09.1995, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Die Beklagte greift das Urteil erster Instanz deswegen an, weil dieses Urteil ohne Berücksichtigung ihres Vortrags fälschlich davon ausgegangen sei, daß sämtliche Verfehlungen der Klägerin der Beklagten durch die Zeugin Hauser bereits im März bekannt geworden seien. Dieses sei indessen unrichtig, weil die Zeugin Hauser seit April 1994 die Klägerin nicht mehr kontrolliert und die Klägerin ihr beanstandetes Verhalten fortgesetzt habe.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Beklagte unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Angestellten Sybille des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 06.09.1995 und unter Vorlage beglaubigter Kopien der Sendeliste des Telefax vom 28.08.1995 und zweier Seiten des Anwaltsverzeichnisses 1995/1996 der Firma Soldan GmbH vor, durch Mitteilung des Gerichts vom 29.08.1995, bei dem Beklagtenvertreter am 31.08.1995 eingegangen, habe der Beklagtenvertreter erfahren, daß die Berufungsschrift vom 28.08.1995, welche per Telefax abgesandt worden war, erst am 29.08.1995 bei dem Gericht eingegangen sei. Entsprechend dem Auftrag des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten habe die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsgehilfin die Berufungsschrift am 28.08.1995 vorab per Telefax an das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz schicken sollen. Die Telefax-Nummer habe sich Frau, aus dem Anwaltsverzeichnis 1995/1996 herausgesucht. Im Anwaltsverzeichnis sei allerdings die falsche, nämlich die alte Telefax-Nummer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz verzeichnet gewesen.

Ein Organisationsverschulden der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten liege deswegen nicht vor, weil das Anwaltsverzeichnis bereits seit Jahren benutzt werde, ohne daß sich irgend welche Vorgänge vergleichbarer Art ereignet hätten. Zudem habe Frau die aktuellste Ausgabe des Verzeichnisses benutzt. Im Kammerreport der pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken sei auch die geänderte Fax-Nummer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz nicht veröffentlicht worden, weil die Daten dann von den Prozeßbevollmächtigten im Anwaltsverzeichnis vermerkt worden wären.

Die Beklag...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge