Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebungsvertrag. Anfechtung wegen Drohung. Kündigung. Parteivernehmung. Vermögensdelikt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

b) Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben.

c) Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich.

2. Kauft die als Verkäuferin in der Elektroabteilung eines SB-Warenhauses tätige Arbeitnehmerin für sich selbst ein Fernsehgerät mit einem regulären Verkaufspreis von 249 Euro zum Preis von 60 Euro abzüglich des Personalrabatts, wobei sie nicht das sog. Preisüberschreibungsformular benutzt, darf ein verständiger Arbeitgeber vom Vorliegen eines Vermögensdelikts bzw. eines entsprechenden Tatverdachts ausgehen und deshalb eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung in Erwägung ziehen.

 

Normenkette

BGB § 123; ZPO §§ 445, 448; BGB § 626 Abs. 1; StGB §§ 263, 266

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 16.08.2011; Aktenzeichen 8 Ca 714/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.08.2011 - 8 Ca 714/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die Klägerin war seit 19. September 1990 bei der Beklagten in deren SB-Warenhaus in K. als Verkäuferin beschäftigt und seit mehr als 15 Jahren in der dortigen Elektroabteilung tätig. Sie war zuletzt stellvertretende Teamleiterin. Ihre Vorgesetzte war die kommissarische Teamleiterin für den Bereich Elektro, Frau A..

Am 31. März 2011 kaufte die Klägerin ein Telefunken LED-Fernsehgerät (LED-TV T22R8, Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. Mai 2011 = Bl. 34 d. A.), dessen regulärer Verkaufspreis 249,00 EUR betrug, zu einem Preis von 60,00 EUR abzüglich einem Personalrabatt von 19 % (d.h. für 48,50 EUR). Die Klägerin benutzte dabei nicht das sog. Preisüberschreibungsformular, das in Fällen benutzt wird, in denen ein anderer als der im System hinterlegte Preis bezahlt wird. In diesem Formular sind je nach Höhe der Reduzierung verschiedene Unterschriften vorgesehen, und zwar vom Teamleiter oder dessen Vertretung (bei Reduzierungen bis 25,00 EUR) bis hin zur Geschäftsleitung (bei Reduzierungen über 50,00 EUR); im Übrigen wird auf das als Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. Mai 2011 (Bl. 33 d. A.) vorgelegte Formular "Anforderung einer Preisüberschreibung an der Kasse" verwiesen. Am selben Tag (31. März 2011) hatte die Klägerin in einem anderen Fall, der sie selbst nicht betraf, das Preisüberschreibungsformular (Bl. 61 d. A.) verwendet.

Am 02. April 2011 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin, Herrn H. (Geschäftsleiter), Herrn Zimmer (Betriebsratsmitglied) und Herrn R. (Revisor) statt. In diesem Gespräch stellte der Geschäftsleiter, Herr H., der Klägerin eine außerordentliche Kündigung in Aussicht. Nach zweimaliger Unterbrechung des Gesprächs, in der die Klägerin Rücksprache mit dem Betriebsratsmitglied (Herrn Z.) hielt, unterzeichneten die Klägerin und Herr H. (als Geschäftsleiter in Vertretung für die Beklagte) folgenden Aufhebungsvertrag der Parteien vom 2. April 2011 (Bl. 9 d.A.):

"1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet in gegenseitigem Einvernehmen am 30.04.2011.

2. Das Arbeitsverhältnis wird bis zu dem vorgenannten Datum ordnungsgemäß abgerechnet.

3. Die Arbeitnehmerin wird mit sofortiger Wirkung nach Gewährung eventuell bestehender Urlaubs- und Freizeitansprüche unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt.

4. Die Arbeitnehmerin wurde angehalten, sich über die Voraussetzungen und Modalitäten des Bezuges von Leistungen der Agentur für Arbeit selbst zu informieren.

5. Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, sich zur Vermeidung einer Minderung des Arbeitslosengeldes unverzüglich nach Abschluss dieses Aufhebungsvertrages bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden.

6. Die Arbeitnehmerin erhält ein qualifiziertes Zeugnis.

7. Mit Erfüllung dieses Aufhebungsvertrages und Ausgleich des Schadens sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt. Hiervon ausgenommen sind tarifliche Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers.

8. Die etwaige Unwirksamkeit einzelner Teile dieses Aufhebungsvertrages berührt nicht die Wirksamkeit der übrigen Inhalte des Vertrages.

Mit ihrer Unterschrift erklärt die Arbeitnehmerin, dass sie diesen Vertrag nach sorgfältigem Lesen und ausreichender Bedenkzeit freiwillig unterzeichnet hat."

Weiterhin unterzeichneten die Klägerin, Herr H., Herr Z. und Herr R. folgendes Gesprächsprotokoll vom 02. April 201...

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