Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen Drohung mit einer Strafanzeige bei pflichtwidrigem Verstoß einer Bereichsleiterin in Altenheim

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält die Arbeitnehmerin in der Funktion als "Bereichsleiterin Veranstaltungs- und Bewohnerservice" eines Alten- und Pflegeheimes von dem Ehemann einer Bewohnerin einen Geldbetrag in Höhe von 10.776,95 EUR als Darlehen zu einem Zinssatz von 4%, obwohl sie wegen ihrer Verschuldung zuvor bereits drei eidesstattliche Versicherungen abgegeben hatte, liegt darin ein erheblicher Verstoß gegen § 11 Abs. 1 LWTG, der zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung geeignet ist.

2. Darf die Arbeitgeberin nach den gesamten Umständen den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wegen des von ihr erhobenen Vorwurfs ernsthaft in Erwägung ziehen, kann die Androhung einer außerordentlichen Kündigung nicht als widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB angesehen werden; das gilt ebenso für die Androhung der Erstattung einer Strafanzeige.

 

Normenkette

LWTG § 11; BGB § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 626; HeimG § 14 Nr. 5; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Aktenzeichen 3 Ca 1326/12)

 

Tenor

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag oder durch eine von der Beklagten ausgesprochene Kündigung.

Die 1960 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 01. Januar 2001 beschäftigt, zuletzt in der Funktion als Bereichsleiterin Veranstaltungs- und Bewohnerservice; im Übrigen wird auf die Anstellungsverträge vom 14. Dezember 2000 (Bl. 9 - 12 d.A.) und 25. Mai 2001 (Bl. 13 - 16 d.A.) nebst den ergänzenden Vereinbarungen vom 07. Juni 2002 (Bl. 18 d.A.), 20. Juni 2002 (Bl. 17 d.A.), 02. Mai 2007 (Bl. 19 d.A.) und 28. August 2008 (Bl. 20 d.A.) verwiesen.

Am 01. Juli 2005 unterzeichnete die Klägerin neben dem Vermerk "Kenntnis genommen und verstanden" die Betriebsordnung der Beklagten (Bl. 37, 38 d.A.), die u.a. folgendes regelt:

"(...)

3. Annahme von Geschenken

Alle Beschäftigten der Residenz unterliegen dem Heimgesetz. Hierin ist in § 14 Abs. 5 die Annahme von Geschenken geregelt. Mitarbeiter dürfen grundsätzlich nur geringfügige Aufmerksamkeiten von Bewohnern oder Angehörigen als Geschenk annehmen. Dies sind z.B. eine Schachtel Pralinen oder eine Tafel Schokolade. Das Gesetz will einer Bevorzugung bestimmter Bewohner durch Geldgaben oder Wertgeschenke vorbeugen.

4. Professionelle Distanz

Die Betreuung der Bewohner erfordert eine professionelle Distanz. Diese beinhaltet, dass Bewohner nicht mit privaten Angelegenheiten oder Sorgen der Mitarbeiter belastet werden dürfen. Wir sind für die Sorgen und Anliegen der Bewohner da und nicht umgekehrt.

Es besteht für alle Mitarbeiter Schweigepflicht über private Angelegenheiten der Bewohner, der Kollegen sowie über interne Angelegenheiten der Residenz. Diese dürfen weder anderen Bewohnern und Angehörigen, noch Personen außerhalb des Hauses zugetragen werden dürfen.

Private Aktivitäten und Unternehmungen mit Bewohnern außerhalb der Dienstzeit dürfen nur nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten erfolgen. Gemeinsame private Reisen mit den Bewohnern sind nur mit Genehmigung der Direktion erlaubt.

Grundsätzlich besteht auch die Verpflichtung zum "Sie" bei der Anrede, auch wenn Bewohner das "Du" anbieten. Auch das ist ein Teil der professionellen Distanz.

(...)

11. Verstöße

Verstöße gegen diese Betriebsordnung haben arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge."

Am 10. Januar 2011 bestätigte die Klägerin mit ihrer Unterschrift die Kenntnisnahme der dann gültigen Betriebsordnung (Bl. 39, 40 d.A.), die u.a. folgende Regelungen enthält:

"(...)

3. Annahme von Geschenken

Alle Beschäftigten der Residenz unterliegen dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG). § 11 regelt das Verbot der Annahme von Leistungen.

Die Annahme von Geld- und Wertgeschenken für den ausschließlich persönlichen Gebrauch ist verboten.

MA dürfen grundsätzlich nur geringwertige Aufmerksamkeiten annehmen, wenn diese auch anderen MA im Bereich zugänglich gemacht werden.

4. Professionelle Distanz

Die Betreuung der Bewohner/innen erfordert eine professionelle Distanz. Bewohner/innen dürfen nicht mit privaten Angelegenheiten oder Sorgen der Mitarbeiter belastet werden. Hierzu gehören auch private Angelegenheiten von anderen MA und Bewohnerinnen und Bewohnern.

Die Schweigepflicht umfasst alle betrieblichen und Bewohner bezogenen Erkenntnisse und Informationen gegenüber Dritten.

Über private Aktivitäten und Unternehmungen mit Bewohner/innen außerhalb der Dienstzeit ist der Dienstgeber vorab zu informieren.

Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zum "Sie" bei der An...

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