Entscheidungsstichwort (Thema)

Belästigung, sexuelle. Belastung. Kündigung. Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen an ihrem Arbeitsplatz stellt einen „an sich” wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, hängt von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 10.11.2006; Aktenzeichen 2 Ca 796/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.11.2006 – 2 Ca 796/06 – wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der am 30.09.1958 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.08.1976 bei der Beklagten als Angestellter, zuletzt als Privatkundenberater beschäftigt.

Mit Schreiben vom 27.03.2006, welches dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag zuging, teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 30.09.2006 zu kündigen und bat den Betriebsrat diesbezüglich um Stellungnahme. Zur Darstellung des Inhalts des Anhörungsschreibens sowie der diesem Schreiben beigefügten Anlagen wird auf Blatt 46 f. sowie auf Bl. 51 bis 57 d.A. Bezug genommen. Mit e-mail vom 30.03.2006 teilte der Betriebsratsvorsitzende dem Personalleiter der Beklagten mit, der Betriebsrat habe sich in seiner Sitzung vom 30.03.2006 mit der beabsichtigten Kündigung befasst und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass er sich weder zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung äußern werde.

Mit Schreiben vom 31.03.2006, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 30.09.2006. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 07.04.2006 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Der Kläger hat erstinstanzlich die ihm gegenüber seitens der Beklagten zur Begründung der Kündigung erhobenen Vorwürfe bestritten und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.03.2006 weder mit sofortiger Wirkung noch ordentlich zum 30.09.2006 beendet wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, bereits die fristlose Kündigung vom 31.03.2006 habe das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Der Kläger habe Mitarbeiterinnen sexuell belästigt und beleidigt. So habe der Kläger u.a. die (frühere) Mitarbeiterin A., deren Mentor bzw. Coach er gewesen sei, des Öfteren zu Gesprächen in sein Büro zitiert, sich bei diesen Gesprächen neben sie gesetzt und seine Hand auf ihr Knie gelegt. Darüber hinaus habe der Kläger die Mitarbeiterin A. an Po, Beinen und Hüften begrapscht. Wenn sich Frau A. hiergegen zur Wehr gesetzt habe, habe der Kläger Äußerungen getätigt wie etwa: „Haben wir unsere Tage”, oder „Sind wir zickig?”. Des Weiteren habe der Kläger die Mitarbeiterin A. während der Arbeit gefragt, welche Stellung sie bevorzuge. Anlässlich der Vorbereitungen zu einer Weihnachtsfeier im Jahr 2005 habe der Kläger Frau A. während des Schmückens des Weihnachtsbaumes von hinten an die Hüften gefasst. Das Verhalten des Klägers sei als sexuelle Belästigung zu bewerten und wiege auch deshalb besonders schwer, weil er als Mentor bzw. Coach der betroffenen Mitarbeiterin gegenüber eine besondere Fürsorgepflicht gehabt habe. Der Kläger habe auch eine weitere Mitarbeiterin, nämlich Frau D., belästigt, indem er ihr des Öfteren einen Klaps auf das Gesäß gegeben oder ihr in den Bauch gekniffen habe. Selbst unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers seien dessen Fehlverhaltensweisen so massiv, dass ihr – der Beklagten – auch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses lediglich bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Der Betriebsrat sei vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.11.2006 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.03.2006 nicht aufgelöst worden ist und zur Begründung in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, da der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die bloße Bezugnahme im Anhörungsschreiben auf die beigefügten Aktenvermerke bzw. Stellungnahmen ersetze nicht die erforderliche Mitteilung, auf welche konkreten...

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