Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Einkäufers in einem Großhandel für Motorradteile wegen Verrichtung von Nebentätigkeiten während der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund i.S. von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, wenn ein Arbeitnehmer trotz ausdrücklichen Verbots während der bezahlten Arbeitszeit für eine von ihm betriebene Werbeagentur unter Nutzung der IT-Infrastruktur des Arbeitgebers tätig wird.

2. In der "Androhung von Konsequenzen" während eines Gesprächs kann eine Abmahnung liegen. Diese bedarf insbesondere nicht der Schriftform. Ausreichend ist vielmehr, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

 

Normenkette

BGB § 626; ZPO § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 3; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 20.09.2018; Aktenzeichen 9 Ca 748/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20. September 2018, Az. 9 Ca 748/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.05.2017.

Die Beklagte betreibt einen Großhandel für Motorradteile und -zubehör; sie beschäftigt ca. 50 Arbeitnehmer. Der 1973 geborene Kläger ist ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er war bei der Beklagten seit dem 01.05.2009 als Einkäufer (Senior Buyer/ Product Marketing Specialist) zu einer Monatsvergütung von € 3.555,00 brutto in Vollzeit beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ua. folgendes geregelt:

"§ 8

Geheimhaltung/Rückgabe von Unterlagen"

...

4. Eine private Nutzung der gesellschaftseigenen Hard- und/oder Software ist nur mit vorheriger, schriftlicher Zustimmung der Gesellschaft gestattet."

Am 15.10.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag folgende Nebentätigkeitsgenehmigung schriftlich:

"Hiermit genehmigen wir, dass [der Kläger] die von ihm gewünschte Nebentätigkeit, nämlich Übersetzungsarbeiten und Erstellung von Pressetexten, unbefristet ausüben darf.

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ihre Nebentätigkeiten Ihre Arbeitspflicht bei [der Beklagten] nicht beeinträchtigen dürfen."

Der Kläger betreibt seit September 2012 eine Werbeagentur unter der Bezeichnung "7PUNKT8media" mit Sitz in A-Stadt. Im April 2016 führte der Einkaufsleiter M. mit dem Kläger ein Gespräch, weil aus Sicht der Beklagten seine Arbeitsleistung in beachtlichem Maße nachgelassen habe. Der Vorgesetzte vermutete, dass der Kläger während der Arbeitszeit seine Nebentätigkeit ausübte. Ein weiteres Gespräch am 12.10.2016 in gleicher Besetzung betraf nach dem Vortrag der Beklagten ähnliche Inhalte. Der Vorgesetzte kritisierte ua., dass die Werbeagentur des Klägers auf ihrer Facebook-Seite mit einer 24-stündigen Erreichbarkeit warb und als Kontaktmöglichkeit die private Handynummer des Klägers angegeben war. Am folgenden Tag kam es auf Bitten des Klägers zu einem weiteren Gespräch, diesmal mit dem Geschäftsführer der Beklagten. Auch der Inhalt dieses Gesprächs ist streitig. Im Frühjahr 2017 ging in der Warenannahme der Beklagten eine Lieferung ein, die Visitenkarten für den Kläger, seine Werbeagentur betreffend, enthielt. Am 04.04.2017 kam es erneut zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Vorgesetzten M.. Gesprächsinhalt war zunächst eine von der Beklagten beabsichtigte Änderung der Stellenbeschreibung des Klägers, mit der dieser nicht einverstanden war. Das in Einzelheiten streitige Gespräch betraf jedenfalls auch die Nebentätigkeit des Klägers. Am 26.04.2017 erhielt der zuständige Mitarbeiter der Beklagten N. die automatisierte Firewall-Meldung, dass eine für den dienstlichen Account des Klägers bestimmte E-Mail vom System in einem sog. "Quarantäne-Ordner" gespeichert worden sei. N. überprüfte daraufhin am 27.04.2017 die vom System erstellte Übersicht zu den abgefangenen E-Mails für den klägerischen Account und informierte darüber den Geschäftsführer der Beklagten. Die Übersichtsmeldung (Anlage NM3) wies E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Account des Klägers bei der Beklagten und dessen Werbeagentur in beide Richtungen aus. In der Übersicht befinden sich auch Versendungsdaten nach dem Gespräch vom 04.04.2017. Die Beklagte beauftragte am 27.04.2017 ein externes IT-Support-Unternehmen mit weiteren Nachforschungen. Von diesem erhielt sie am 09.05.2017 die Mitteilung, dass am 30.03.2017 fast 28.000 E-Mails in dem Account des Klägers gelöscht wurden, sämtliche E-Mails aus den Ordnern "gesendete Elemente" und "gelöschte Elemente" sowie selektiv (teilweise einzeln, teilweise wochen- und tageweise) auch E-Mails aus dem Ordner "Posteingang". Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Löschung endgültig, die E-Mails nic...

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