Entscheidungsstichwort (Thema)
Anmeldung, Feststellungsinteresse, Insolvenzfeststellungsklage, Insolvenztabelle, Sachurteilsvoraussetzung. Unzulässige Klage auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle bei von Amts wegen zu berücksichtigendem Fehlen der Anmeldung und Prüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer Klage auf Leistung fehlt das Rechtschutzbedürfnis, wenn nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO ein Vollstreckungsverbot im Sinne des § 210 InsO eintritt; hat der Insolvenzverwalter nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils die drohende Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt, ist eine ursprünglich erhobene Leistungsklage bereits deshalb unzulässig geworden.
2. Ein Übergang der Klageansprüche auf die Bundesagentur für Arbeit (§ 169 SGB III) hat als solcher nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keinen Einfluss auf dessen prozessuale Geltendmachung; die Rechtsvorgängerin behält nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO weiter ihre Prozessführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen weiter führen (Prozessstandschaft), hat jedoch aufgrund der veränderten materiellen Rechtslage grundsätzlich Leistung an ihre Rechtsnachfolgerin verlangen.
3. Hinsichtlich der von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Ansprüche hat der gesetzliche Forderungsübergang nach § 169 SGB III zur Folge, dass die Bundesagentur für Arbeit diese Ansprüche nach § 55 Abs. 3 Satz 1 InsO nur als Insolvenzgläubigerin geltend machen kann; Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin übergegangen ist (starker vorläufiger Insolvenzverwalter), gelten gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten.
4. Als Masseverbindlichkeiten gelten nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO auch Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat; gehen die nach § 55 Abs. 2 InsO begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit über, kann die Bundesagentur diese nach § 55 Abs. 3 Satz 1 InsO nur als Insolvenzgläubigerin im Wege der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) geltend machen.
5. Eine Insolvenzfeststellungsklage ist nur statthaft, wenn die Klageforderung im Insolvenzverfahren angemeldet, geprüft und bestritten worden ist, wobei es sich um eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung handelt; einer Klage, mit der die Feststellung einer unangemeldeten und ungeprüften Forderung beantragt wird, fehlt das (von Amts wegen zu prüfende) Feststellungsinteresse und ist als unzulässig abzuweisen.
6. Auch im Bereich der Prozessvoraussetzungen haben grundsätzlich die Parteien die Zulässigkeitsvoraussetzungen darzutun und die erforderlichen Nachweise zu beschaffen.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1, §§ 174, 208, 210; SGB III § 169; ZPO §§ 253, 264 Nrn. 2-3, § 265 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 533
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 20.09.2012; Aktenzeichen 3 Ca 667/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.09.2012 - 3 Ca 667/12 - abgeändert, soweit es der Klage gegen den Beklagten zu 1) stattgegeben hat.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) jeweils zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) zur Hälfte.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin und der Beklagte zu 1) streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle.
Die Klägerin war vom 01. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 bei der Firma S. GmbH beschäftigt. Der Beklagte zu 1) wurde im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma S. GmbH vom Amtsgericht Ulm mit Beschluss vom 23. Januar 2012 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und fungierte ab dem 30. Januar 2012 aufgrund des an diesem Tage angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots als sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter. Am 28. März 2012 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom gleichen Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma S. GmbH eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter ernannt.
Bei der Insolvenzschuldnerin erfolgte die Gehaltszahlung immer am Ende des Folgemonats für alle geleisteten Stunden aus dem Vormonat. Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 (Bl. 13 d. A.) wurde der Klägerin folgendes mitgeteilt:
"Auszahlung Insolvenzgeld - Eilt sehr!
Sehr geehrte Frau D.,
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