Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats. Eingriff in eine bestehende Vergütungsstruktur. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung. Einseitige vertragliche Verfallsfrist. Angemessenheitskontrolle
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden, sowie deren Änderung mitzubestimmen. Senkt der Arbeitgeber nicht etwa unter Beibehaltung der bisherigen Vergütungsordnung nur die absolute Höhe der Vergütung für bestimmte Arbeitnehmer, sondern greift ohne Beteiligung des Betriebsrats einseitig in die Struktur der bestehenden Vergütungsordnung ein, so verstößt er gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
2. Eine einseitige vertragliche Verfallfrist ist nichtig, wenn sie einseitig den Rechtsverlust zu Lasten des Arbeitnehmers, nicht aber zu Lasten des Arbeitgebers vorsieht, wenn Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sind.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB §§ 134, 242; TVG § 4 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.03.2003; Aktenzeichen 6 Ca 1276/02 PS) |
Tenor
1.Die Berufung und die Anschlussberufung gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom27.03.2003 – 6 Ca 1276/02 – werden zurückgewiesen.
2.Die Klägerin/der Kläger hat 31 % der Kosten des Berufungsverfahrens, der Beklagte 69 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die der Kläger/dem Kläger zustehende Vergütung.
Der Beklagte ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit Sitz in X. Er unterhält Bundesweit über 600 Einrichtungen. Beim Beklagten kamen Haustarifverträge zur Anwendung, die zum 31.12.1997 gekündigt worden waren.
Der am 16.12.1968 geborene Kläger wurde von dem Beklagten vom 01.10.1998 bis 15.10.2000 beschäftigt.
Die Parteien vereinbarten ein Monatsgehalt in Höhe von 3.550,09 DM. In Ergänzung des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien zugleich, dass sich der Gehaltsbetrag gliedere in eine Grundvergütung in Höhe von 2.477,34 DM, einen Orts-/Sozialzuschlag in Höhe von 873,48 DM und eine allgemeine Zulage in Höhe von 199,27 DM. Die Grundvergütung entspricht der Vergütung gem. Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 12.1 und ab dem 01.10.2000 in die Vergütungsgruppe IV d des gekündigten Tarifvertrages „Tätigkeitsmerkmale für die Mitarbeiter/innen des Internationalen Bundes”.
Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht in § 13 folgende Verfallfrist vor:
„Ansprüche auf Leistungen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich bei der Zentralen Geschäftsführung/Ressort Personal – Recht geltend gemacht werden. Nicht geltend gemachte Ansprüche erlöschen.”
In § 15 des Arbeitsvertrages ist geregelt:
„Sofern der iB zu einem späteren Zeitpunkt einer tariflichen Regelung unterliegt oder einen Haustarifvertrag abschließt, werden dessen Regelungen zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist und ohne Rücksicht darauf, ob die Regelungen günstiger oder ungünstiger sind.”
Die Klägerin/der Kläger hat vorgetragen,
der Beklagte habe am 01.01.1998 ohne Zustimmung des Betriebsrats ein neues betriebliches Vergütungssystem eingeführt, das für die Gehaltsfindung bei allen neuen Vertragsabschlüssen die tariflich vorgesehenen Lebensalterstufen und Bewährungsaufstiege nicht mehr berücksichtige. Aus diesem Grunde sei die Vergütungsabrede im Arbeitsvertrag unwirksam. Er habe Anspruch auf die im Betrieb übliche Vergütung. Dies sei die Vergütung die den zumindest nachwirkenden Tarifverträgen entspreche. Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist sei unwirksam, da es sich um eine einseitige Ausschlussfrist handele, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 242, 315 BGB nicht standhalte. Zudem sei eine Geltendmachung der Ansprüche bereits im Schreiben vom 09.08.2000 erfolgt
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.012,57 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz des § 1 DÜG seit dem 21.04.2001 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
Ansprüche würden sich weder aus dem Tarifvertrag, noch aus der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ergeben. Insbesondere könne sich aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten ein individualrechtlicher Anspruch nicht ergeben, der zuvor noch nicht bestanden habe. Ein Anspruch folge auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Sachliches Abgrenzungskriterium sei das Entfallen der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages nach Ablauf der Kündigungsfrist. Zudem seien Ansprüc...