Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten aufgrund einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Versorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 01.03.2017; Aktenzeichen 11 Ca 3170/16) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.03.2017 - 11 Ca 3170/16 - wird mit der Maßgabe der Ziffer 2 dieses Urteils zurückgewiesen.
- Ziffer 1. und 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.03.2017 - 11 Ca 3170/16 - werden wegen eines offenkundigen Schreib- und Rechenfehlers dahin abgeändert, dass es jeweils statt 89,33 € 53,33 € heißen muss.
- Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
- Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob und inwieweit die Beklagte zur Betriebsrentenanpassung beginnend mit den Jahren 2015 und 2016 verpflichtet ist.
Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der V. Lebensversicherungs AG, von 1977 bis zum 31.08.1994 beschäftigt. Seit dem 01.10.1998 erbringt die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an den Kläger.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" bezeichnet wird. Der Kläger gehört zum berechtigten Personenkreis. Unter dem 08.07.1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (BVW). Die BVW gewährt den Anspruchsberechtigten eine Gesamtversorgung. Zunächst wird eine individuell erreichbare Gesamtversorgung ermittelt (höchstens 70% des pensionsfähigen Arbeitsentgelts), von der als anzurechnendes Einkommen die gesetzliche Rente sowie Rentenleistungen aus einer Versorgungskasse der V. VVaG (sog. VK-Rente) abgesetzt werden. Die Lücke zum erworbenen Gesamtversorgungsanspruch wird mit einer Pensionsergänzungszahlung (sog. Vofue-Rente) ausgeglichen.
In den Ausführungsbestimmungen des BVW (BVW-A) ist ua. folgendes geregelt:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Verstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
....
Bis zum Jahr 2015 passte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin die Betriebsrente entsprechend dem Anstieg der gesetzlichen Renten an. Im Juli 2015 gewährte die Beklagte dementsprechend Vofue-Rente in Höhe von 648,42 EUR brutto und VK-Altersrente in Höhe von 305,42 EUR brutto, insgesamt 953,84 EUR brutto (vgl. Bl. 42 d. A.). Obwohl die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.07.2015 um 2,0972 % anstiegen, erhöhte die Beklagte die Vofue-Rente nur um 0,5 %. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wurden zum 01.07.2016 um 4,24512 % angehoben, insoweit nahm die Beklagte lediglich eine Anhebung um weitere 0,5 % vor.
Mit seinen Zahlungsanträgen macht der Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 die Anpassung der Betriebsrente für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe des jeweiligen Anpassungssatzes der gesetzlichen Rente geltend.
Der Kläger hat vorgetragen,
§ 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen bVW sei unwirksam. Die Vorschrift sei nicht hinreichend transparent bzw. die Übertragung...