Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfähigkeit. Krankheitsursache. Kündigung. Mobbing. Arbeitsunfähigkeit durch Mobbing

 

Leitsatz (redaktionell)

Steht fest, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers z.B. aus einer Kommunikationsstörung am Arbeitsplatz resultiert, die derart eskaliert war, dass es bei dem Arbeitnehmer zu Symptomen von Krankheitswert gekommen war, ist – selbst wenn partiell auch andere Ursachen für das Eintreten von Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen sind – der Arbeitgeber in einer derartigen Situation aufgrund vertraglicher Nebenpflicht gehalten, statt einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Kommunikationsstörungen zu beseitigen. Eine gleichwohl erklärte Kündigung ist entsprechend § 162 Abs. 2 BGB, § 242 BGB, ebenso wie wegen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip unwirksam.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Pirmasens (Urteil vom 25.07.2001; Aktenzeichen 4 Ca 296/00)

 

Tenor

1.Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 25.07.2001 – 4 Ca 296/00 – aufgehoben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 01.03.2000 zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist.

2.Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4.Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung beendet worden ist.

Die Klägerin ist seit dem 01.08.1984 in dem vom Beklagten betriebenen Kindergarten in X beschäftigt. Gemäß Arbeitsvertrag vom 20.04.1995, hinsichtlich dessen Inhalt im Übrigen auf Blatt 4 bis 7 der Akte Bezug genommen wird, ist die Klägerin als Leiterin dieses Kindergartens eingesetzt.

Mit Schreiben vom 01.03.2000 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2000 gekündigt. Hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen,

die Kündigung sei bereits gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung des Beklagten unwirksam, weil dem Vorstand die Durchführung der Personalangelegenheiten obliege. Die Kündigung sei aber lediglich vom Vorstandsvorsitzenden und dessen Stellvertreter unterzeichnet worden. Ein Vorstandsbeschluss sei nicht herbeigeführt worden.

Sie habe über Jahre hinweg ordnungsgemäß und völlig korrekt ihre Arbeit verrichtet. Ab 1997 seien in der Kommunikation zwischen ihr und dem Vorsitzenden des Vorstandes, dem W, Differenzen aufgetreten. Die Gesamtumstände der Differenzen könne man unter den Begriff „Mobbing” fassen. So habe die Zeugin V im Jahre 1998 bei dem Betreten des Waschraums gehört, wie die stellvertretende Kindergartenleiterin, Frau U, zu anderen Mitarbeitern gesagt habe, sie habe die Order von oben bekommen, die Stellvertreterposition herauszukehren. Die laufenden gezielten Demütigungen hätten schließlich dazu geführt, dass die Klägerin erkrankt sei. Am Abend des 15.06.1998 habe sie eine Fehlgeburt erlitten. Zuvor sei es zu einer heftigen verbalen Attacke des Vorstandsvorsitzenden gekommen. Ihre Beschwerden, die zu Fehlzeiten im Jahre 1998 und seit dem 03.04.1999 durchgehend geführt hätten, seien hauptsächlich psychischer Art. Sie habe seit dem 01.02.2000 die Mobbing-Beratungsstelle T konsultiert. Danach ergebe sich folgendes Bild: Bei ihr handelt es sich um eine Mobbing betroffene Arbeitnehmerin mit einer depressiven Reaktion im Zusammenhang mit einer leichten bis mittleren posttraumatischen Reaktion. Es werde deutlich, dass die Krankheitssymptome in einem unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit den Mobbing-Handlungen am Arbeitsplatz stünden. Als besonderer Belastungsfaktor komme hinzu, dass die gesamte Familie in die Mobbing-Situation durch den katholischen Pfarrer hineingezogen werde. Die Mobbing-Beratungsstelle halte eine Rückkehr an den Arbeitsplatz für verfrüht. Sie solle aber die Chance haben, in den Beratungen die notwendigen persönlichen Fähigkeiten und Ressourcen auszubilden, die eine positive Umgehensweise und Verarbeitung der Situation ermögliche. Darüber hinaus sollten zwei weitere Schritte durch die Krankenkasse bzw. durch den medizinischen Dienst eingeleitet werden: Da es sich bei dem Mobbing um einen Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz handele, solle die zuständige Berufsgenossenschaft als Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden. Die zuständige Krankenkasse solle zudem überprüfen, ob eine Finanzierung bzw. eine Teilfinanzierung der Mobbing-Beratung im Sinne der Prävention von arbeitsbedingter Erkrankung möglich sei, da dies die finanzielle Situation der Familie entlasten werde. Alle diese Lösungsansätze hätten den Beklagten nicht interessiert. Der Beklagte habe, in Gestalt des Vorstandsvorsitzenden W in aller Öffentlichkeit seine Doppelstellung missbraucht und ihre Familie auf das Übelste bloßgestellt. So habe er aus...

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