Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Vertragsklausel zur Ableistung von Mehrarbeit. Unangemessene Benachteiligung durch eine Vertragsklausel zur Rückzahlung eines Weihnachtsgratifikation auch bei Ausscheiden aufgrund arbeitsgeberseitiger Veranlassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist im Arbeitsvertrag die regelmäßige Arbeitszeit mit mindestens 40 Stunden in der Woche ausgewiesen und sollen nach der Regelung des Folgesatzes aus Mehrarbeit bis zu 10 % der Wochenarbeitszeit keine zusätzlichen Ansprüche entstehen, sind für jeweils vier Wochenstunden Mehrarbeit über die vereinbarte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus keine zusätzlichen Vergütungsansprüche vereinbart.
2. Eine arbeitsvertragliche Vertragsklausel mit dem Inhalt, dass aus Mehrarbeit bis zu 10 % der vereinbarten Wochenarbeitszeit keine zusätzlichen Ansprüche entstehen können, betrifft nur die Gegenleistung (Vergütung oder bezahlter Freizeitausgleich) für die hiervon erfassten Überstunden, ohne zugleich die Anordnungsbefugnis der Arbeitgeberin zur Ableistung von Mehrarbeit zu regeln. Damit beinhaltet diese Klausel eine Hauptleistungsabrede, die nur die Gegenleistung der Arbeitgeberin für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft und ist von der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen.
3. Eine Rückzahlungsklausel, die eine Zahlungspflicht auch für Fälle vorsieht, in denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Verantwortungsbereich der Arbeitgeberin zuzurechnen ist (wie etwa eine betriebsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin oder eine Kündigung des Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin), stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Sieht die Klausel dann auch noch eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation vor, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich der Arbeitgeberin zuzurechnen sind, berücksichtigt sie nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner sondern einseitig nur diejenigen der Arbeitgeberin, so dass es der Arbeitnehmer nicht mehr selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Normenkette
BGB § 288 Abs. 5, § 305 c Abs. 2, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1, § 394; ZPO § 520 Abs. 3, § 850c
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 06.06.2017; Aktenzeichen 8 Ca 295/17) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06. Juni 2017 - 8 Ca 295/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.845,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 01. März 2017 zu zahlen.
- Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 40,00 EUR zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) haben der Kläger zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8 zu tragen.
IV.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit sie zur Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 EUR verurteilt worden ist.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden, einen Nettoabzug wegen Rückforderung der geleisteten Weihnachtsgratifikation sowie die Zahlung einer Verzugspauschale.
Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 28. Februar/03. März 2009 (Bl. 166 - 170 d.A.) in der Zeit vom 01. April 2009 bis 28. Februar 2017 als Ingenieur gegen eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 4.140,-- EUR beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:
"(...)
§ 2 Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden in der Woche. Aus Mehrarbeit bis zu 10% der Wochenarbeitszeit entstehen keine zusätzlichen Ansprüche.
(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen kann individuell vereinbart werden, solange betriebliche Belange nicht entgegen stehen. Die Arbeitszeit muss die Kernarbeitszeit des Betriebs (diese ist separat festgelegt) abdecken. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten pro Tag einzulegen, wenn möglich mittags. Die Mindestpausenzeit wird von der Arbeitszeit auch dann abgezogen, wenn der Arbeitnehmer keine Ruhepause wahrnimmt. Individuelle Pausen (z.B. "Raucherpausen") gelten nicht als Arbeitszeit.
(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Über- und Mehrarbeit/ Wechselschicht/ Nachtarbeit/ Sonntagsarbeit zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig ist.
§ 3 Vergütung
(1) Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Vergütung von 3.800,- Euro brutto. Nach Ablauf der Probezeit 4.000,- Euro brutto.
Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann ein Teil des Gehaltes auch als VL ausgezahlt werden.
(2) Ansprüch...