Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist. Fälligkeit. Geldanspruch. Surrogationstheorie. Tarifauslegung. Urlaubsabgeltung. Tariflicher Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruch bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Aufgabe der sog. Surrogationstheorie ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Maßgabe der einschlägigen tariflichen Ausschlussfristen befristet. Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 271 BGB sofort fällig. Eine tarifliche Fälligkeitsregelung für Lohnansprüche beinhaltet keine abweichende Regelung der Fälligkeit, wenn sich auch im Wege der Tarifauslegung aus den Tarifbestimmungen nicht entnehmen lässt, dass die Tarifvertragsparteien den Urlaubsabgeltungsanspruch den Regelungen zur Fälligkeit des Lohns unterstellt haben.

 

Normenkette

BGB §§ 271, 271 Abs. 1, § 611 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1 S. 1; RTV Gebäudereinigung § 8 Nrn. 1-2, § 20 Nr. 1 Sätze 1-3, § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 23.11.2011; Aktenzeichen 8 Ca 671/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.05.2014; Aktenzeichen 9 AZR 758/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23.11.2011 - 8 Ca 671/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Gebäudereinigungsunternehmen, in der Zeit vom 3. Mai 2010 bis 15. Dezember 2010 als Reiniger in Vollzeit mit einem Stundenlohn in Höhe von 11,13 EUR brutto beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag der Parteien existiert nicht.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung zum 15. Dezember 2010 beendet worden. Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestand noch ein Anspruch des Klägers auf 15 Urlaubstage. In der Zeit vom 12. Juli 2010 bis 4. Februar 2011 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 (RTV) Anwendung, der u.a. folgende Bestimmungen enthält:

"(...)

§ 8

Lohnperiode - Lohnabrechnung

1. Der Lohn für geleistete Arbeit ist nach dem betrieblichen Abrechnungszeitraum, längstens jedoch monatlich, zu zahlen. Erkrankten Beschäftigten ist der fällige Lohn grundsätzlich bargeldlos auf ihr Konto oder an ihre Adresse zu zahlen bzw. zu übersenden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem/der Beschäftigten bei jeder Lohnabrechnung eine genaue schriftliche Abrechnung über Gesamtlohn, Stundenlohn, Zulagen und Abzüge zu geben. Die Abgeltung von Zuschlägen aller Art durch erhöhten Lohn ist unzulässig.

2. Ist die Lohnperiode der Kalendermonat, so wird der Lohn spätestens am 15. des folgenden Monats fällig.

3. Verzögert sich die Lohnzahlung bei Barauszahlung durch Verschulden des Arbeitgebers um mehr als eine halbe Stunde über den Arbeitsschluss hinaus, so hat der Arbeitgeber jede angefangene Stunde, um die sich die Lohnzahlung verzögert, mit dem vollen Lohn zu bezahlen.

4. Bei Abschlagszahlungen muss die Abschlagssumme mindestens 90 % des bis zu diesem Zeitpunkt vom Beschäftigten verdienten Nettolohns betragen.

(...)

§ 14

Urlaub

1. Urlaubsanspruch

1.1 Der Jahresurlaub beträgt für:

(...)

2. Urlaubslohn

2.1 Während des Urlaubs erhält der/die Beschäftigte den für seine/ihre regelmäßige Arbeitszeit durchschnittlichen Lohn der letzten zwölf Monate; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten, usw.

Bei der Berechnung des Lohnes bleiben außer Ansatz: Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz, wie z.B. Gratifikationen, Fahrtkosten und Auslösung.

Sofern der/die Beschäftigte weniger als zwölf Monate im Unternehmen beschäftigt ist, werden diese Monate der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt.

2.2 Der Urlaubslohn kann nach der in Ziffer 1 errechneten Höhe nur dann gefordert und ausgezahlt werden, wenn

a) der/die Beschäftigte seinen/ihren Jahresurlaub tatsächlich antritt,

b) dem/der Beschäftigten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnis der Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr gewährt oder von ihm/ihr nicht genommen werden kann,

c) der/die Beschäftigte stirbt. In diesem Fall haben die Hinterbliebenen ihre Erbberechtigung nachzuweisen.

2.3 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem/der Beschäftigten eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.

(...)

§ 20

Restlohn - Arbeitspapiere

1. Bei ordnungsgemäßer Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem/der ausscheidenden Beschäftigten den Restlohn und alle Arbeitspapiere auszuhändigen. Der Restlohn ist sofort, spätestens bis zum 15. des folgenden Monats zu zahlen. In diesem Fall ist eine...

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