Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Ein Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Der Anwalt darf sich dabei grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen.
Normenkette
ZPO § 233; ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1, 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.10.2023; Aktenzeichen 7 Ca 58/23) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 26. Oktober 2023, Az. 7 Ca 58/23, wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht - soweit zweitinstanzlich noch von Interesse - aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis restliche Vergütung für November und Dezember 2022.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung von € 900,00 brutto nebst Zinsen nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 26. Oktober 2023 stattgegeben. Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 30. Oktober 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. November 2023 Berufung eingelegt. Mit am 4. Januar 2024 zugestelltem Schreiben vom 3. Januar 2024 hat das Berufungsgericht die Prozessbevollmächtigte der Beklagten darauf hingewiesen, dass bis zum Ablauf der Begründungsfrist keine Berufungsbegründung eingegangen sei, und angekündigt, die Berufung wegen des Ablaufs der Begründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2024 hat die Beklagte ihre Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags hat sie vorgetragen, die Rechtsanwaltsfachangestellte Z. habe im Fristenkalender versehentlich den 2. Februar 2024 (statt 2. Januar 2024) und die Vorfrist 23. Januar 2024 (statt 23. Dezember 2023) notiert. Der Fehler sei erst am 4. Januar 2024 bemerkt worden. Ihre Prozessbevollmächtigte habe der sehr zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten Z. die Einzelanweisung erteilt, die Berufungsfrist auf den 30. November 2023 und die Vorfrist hierzu auf den 15. November 2023 zu notieren, daran anschließend die Berufungsbegründungsfrist auf den 2. Januar 2024 und die Vorfrist hierzu wegen der Feiertage auf den 23. Dezember 2023 zu notieren. Die konkrete Anweisung sei der Angestellten sodann auf den Verfügungstisch gelegt worden. Ihre Prozessbevollmächtigte habe am gleichen Tag nachgefragt, ob eine entsprechende Eintragung der Fristen erfolgt sei. Dies habe die Angestellte bejaht, weshalb die Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen sei, dass ihre Anweisung - wie sonst auch - ausgeführt worden sei. Hinzu komme, dass ihre Prozessbevollmächtigte wegen einer schweren Erkrankung im Familienkreis früher als geplant ihren Urlaub angetreten habe. Deshalb sei eine nochmalige Kontrolle, die stichprobenhaft immer durchgeführt werde, im konkreten Einzelfall unterblieben. Die Fristnotierung sei im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten so organisiert, dass die jeweiligen Dokumente mit einem Eingangsstempel versehen und die Fristen auf dem Stempel von ihrer Prozessbevollmächtigten jeweils per Einzelverfügung notiert würden, wie sie dies für den konkreten Fall skizziert habe. Die Fristen würden sodann von der dafür zuständigen Angestellten Z. sowohl im digitalen Kalender als auch im händischen Kalender, der zur Sicherheit (für den Fall eines Systemabsturzes) zusätzlich geführt werde, eingetragen. Über die Regelungen für die Fristenkontrolle und deren Bedeutung seien sämtliche Büroangestellten belehrt worden. Die Belehrung werde regelmäßig halbjährlich wiederholt, zuletzt am 15. Juni und 15. November 2023. Die Mitarbeiterin Z. verfüge über eine mehr als achtjährige Berufserfahrung als Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie habe stets zuverlässig gearbeitet und nie Anlass zu Beanstandungen gegeben. Überprüfungen, zuletzt am 15. Juni und am 15. November 2023, hätten nie Anlass zu Beanstandungen gegeben.
In der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten Z. vom 18. Januar 2024 hat diese erklärt, zum konkreten Fristversäumnis könne sie nur sagen, dass ihr dies sehr leid tue. Sie könne sich das Versäumnis nur so erklären, dass sie "einfach im Monat verrutscht" sei und deswegen die Fristen falsch eingetragen habe. Ein solches Versehen sei ihr bisher nicht passiert.
Die Beklagte beantragt,
- ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
- das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 26. Oktober 2023, Az. 7 Ca 58/23, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zu verwerfen...