Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Individualvertragliche Zusage auf Vergütung nach einer günstigeren Vergütungsgruppe
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert (Klageantrag), und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (Klagegrund), bestimmt.
2. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe zugesagt, kommt es für den Inhalt und die Dauer dieser Zusage auf die Auslegung der vom Arbeitgeber abgegebenen Willenserklärung an. Konnte der Abeitnehmer nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass ihm damit eine bestimmte Vergütung garantiert werden sollte, hat er auch bei beiderseitiger Tarifbindung einen Anspruch auf die günstigere zugesagte Vergütung.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; BETV Chemie Rhld.-Pfalz v. 18.07.1987 EG 09/T Fassung: 2004-09-30; ZPO § 313 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 10.01.2017; Aktenzeichen 12 Ca 1376/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsrechts Koblenz vom 10. Januar 2017 (Az. 12 Ca 1376/16) abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 09 T des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie West in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem Firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2014 ergebenden Modifikationen zu vergüten.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund einer individualvertraglichen Zusage nach der Entgeltgruppe E 09 T des Bundesentgelttarifvertrags für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) mit den Modifikationen durch einen firmenbezogenen Verbands- sowie Überleitungstarifvertrag zu vergüten ist.
Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C.-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.
Der Kläger ist seit dem 2. Januar 1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Er war ausweislich seines mit der "Z." geschlossenen Arbeitsvertrages vom 2. Januar 1996 (Bl. 5 d. A.) zunächst als "Packer" im Formbetrieb I tätig. Als "Einstell-Lohn" ist "Tariflohn nach Entgelt-Gruppe E-01" angegeben. Die Arbeitsvertragsparteien haben die Geltung der "maßgeblichen Tarifverträge der Chemischen Industrie" vereinbart. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 (Bl. 6 d. A.) übertrug die Beklagte dem Kläger mit Wirkung zum 1. Januar 2008 die Funktion als "Abteilungsverantwortlicher Interne Logistik". In diesem Schreiben heißt es:
"wir freuen uns, Ihnen ab dem 01.01.2008 die Funktion als
Abteilungsverantwortlicher Interne Logistik
zu übertragen.
Verbunden damit ist eine Umgruppierung in die Entgeltgruppe E09T zzgl. einer Vorarbeiterzulage in Höhe von 10%. Ihr monatliches Bruttoentgelt setzt sich dann folgendermaßen zusammen:
Entgeltgruppe E09 T nach 4 TJ: |
€ 2.850,00 |
Vorarbeiterzulage 10%: |
€ 285,00 |
Funktionszulage |
€ 100,00 |
Gesamt: |
€ 3.235,00 |
Aufgrund unserer Standortsicherungsvereinbarung und der zu erwartenden Tariferhöhung werden das Tarifentgelt sowie die Vorarbeiterzulage Anfang 2008 entsprechend angepasst.
Wir freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit und bitten, uns die beiliegende Kopie dieses Schreibens unterschrieben zum Zeichen Ihres Einverständnisses zurückzugeben."
Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (Bl. 7 d. A.) wandte sich die Beklagte wie folgt an den Kläger:
"Änderung Verantwortlichkeiten
(...)
ab dem 01.01.2014 werden Sie vorübergehend zeitweise oder ständig, unabhängig von der mit Ihnen arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, als Ver- und Entsorger eingesetzt.
Dies geschieht aufgrund der organisatorischen Änderungen ab diesem Datum in der Produktion.
Wir beziehen uns hierbei auf die Regelung in § 11 Ziffer b) der Arbeitsordnung, wonach ...