Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen. Konkretisierung von Arbeitspflichten auf bestimmte Arbeitsbedingungen. Fachliche Vergleichbarkeit der Tätigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Direktionsrechtsausübung und Versetzung. Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen. Übertragung einer anderen Arbeitstätigkeit an einen nicht freigestellten Betriebsratsvorsitzenden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ergibt sich aus § 106 GewO. Dabei hat der Arbeitgeber billiges Ermessen bei der Leistungsbestimmung zu beachten.

2. Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren, wenn besondere Umstände erkennbar hinzutreten, auf Grund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt wird. Eine Tätigkeit in der Instandhaltung, in der Lagerlogistik und im Energiemanagement ergibt keine Konkretisierung auf eine Tätigkeit als Betriebsschlosser.

3. Ob sich eine Tätigkeit als auf Dauer ausgerichtete Aufgabenstellung erweist, hängt von der sozialen Gleichwertigkeit der Aufgaben ab, die der Arbeitnehmer ausgeübt hat und zukünftig ausüben soll.

4. Die Leistungsbestimmung im Rahmen des Weisungsrechts erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Danach verbleibt dem Inhaber des Bestimmungsrechts für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung noch ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum.

5. Eine Versetzung schränkt einen Arbeitnehmer in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender grundsätzlich nicht ein. Denn ihm ist nach § 37 Abs. 2 BetrVG die notwendige Freistellung von der Arbeit zu gewähren und er kann auch nach der Versetzung die Aufgabe eines Betriebsratsvorsitzenden ohne weiteres im erforderlichen Umfang wahrnehmen.

 

Normenkette

BGB § 315 Abs. 1; GewO § 106; GG Art. 12, 12 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 37 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 22.02.2018; Aktenzeichen 8 Ca 1842/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.02.2018 - Az: 8 Ca 1842/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der Kläger ist seit dem 17. September 1990 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 3.300 EUR bei einer Eingruppierung in die Lohngruppe LG 1 des Lohnrahmentarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie Rheinland-Pfalz. Er verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebsschlosser. Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb in C-Stadt, in dem sie ca. 160 (Angabe der Beklagten) bzw. ca. 170 (Angabe des Klägers) Arbeitnehmer beschäftigt, Flaschenverschlüsse her. Es besteht ein 7-köpfiger Betriebsrat, dessen Vorsitzende der Kläger seit März 2010 ist. Er ist nicht freigestellt, übt aber zu mindestens 75 % seiner Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben aus, zuletzt rund 35 Stunden pro Woche.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 11. September 1990 (Bl. 128 d. A.) enthält unter Ziffer 1 folgende Regelung:

Wir stellen Sie ab 17.09.1990 als Maschinenführer/Schichtführer in unserem Betrieb ein. Unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften können wir das Arbeitsgebiet nach Art und Umfang anderweitig bestimmen, falls dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist.

Der Kläger hatte während seiner Beschäftigungszeit jedenfalls folgende Aufgaben und Funktionen inne: Schichtführer, Einrichter, Vorarbeiter und schließlich bis 2012 Instandhaltungsarbeiter. Seit 2013 übte er diese Tätigkeit nicht mehr aus. Ihm waren Zusatzfunktionen als Beauftragter für KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) sowie als Energiemanagementbeauftragter übertragen worden. Die KVP-Beauftragung wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 widerrufen, nachdem die Beklagte entschieden hatte, diese Aufgabe nicht mehr zentral, sondern dezentral von den verschiedenen Bereichen ausführen zu lassen. Die Aufgabe als Energiemanagementbeauftragter übt der Kläger sei dem 8. Februar 2018 nicht mehr aus.

Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Wareneingang und Lager, Herr L., war seit dem 1. Oktober 2017 aus familiären Gründen freigestellt und schied mit Ablauf des 30. November 2017 wegen Renteneintritts aus dem Unternehmen der Beklagten aus. Er war schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 und Vorsitzender der Schwerbehindertenvertretung.

Die Arbeitgeberin beabsichtigte, die Stelle von Herrn L. wiederzubesetzen und schrieb diese am 18. September 2017 als Position "Mitarbeiter Lager & Wareneingang" intern aus (Bl. 36 d. A.). Ausweislich der Stellenausschreibung gehören zu den mit der Position verbundenen Aufgaben die Organisation des Ersatzteillagers, das Anlegen von Ersatzteilen im (Computer-)System, das Einholen von Angeboten für Ersatzteile, die Auslösung und Verfolgung von Bedarfen, die sogenannte "Klischeeverwaltung", die Organisation und Koordination von Versandaufträgen, die sogenannte "Mast...

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