Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats vor einer personellen Einzelmaßnahme. "Sonstige Nachteile" als Zustimmungsverweigerungsgrund bei einer beabsichtigten Versetzung. Rechtfertigung etwaiger Nachteile aus betrieblichen oder in der Person liegenden Gründen bei einer Versetzung. Versetzung eines nicht freigestellten Betriebsratsmitglieds. Dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung einer personellen Einzelmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Benennt der Arbeitgeber im Zustimmungsverfahren zur personellen Einzelmaßnahme dem Betriebsrat den Namen des betroffenen Arbeitnehmers und die Angabe der vorgesehenen Tätigkeit ("Mitarbeiter Wareneingang & Lager"), liegt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats gem. § 99 Abs. 1 BetrVG vor.
2. Nachteile für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer durch die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme können vorliegen, wenn sie nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung mindestens eines Arbeitnehmers mit sich bringt (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Der "Status quo" der Beschäftigten soll durch den Betriebsrat geschützt werden können.
3. Nachteile für den betroffenen Arbeitnehmer ergeben dann keinen Zustimmungsverweigerungsgrund, wenn eine unternehmerische Entscheidung als betrieblicher Grund - wie z.B. der Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit - hinzunehmen ist.
4. Eine Versetzung schränkt einen Arbeitnehmer in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht ein. Denn ihm ist nach § 37 Abs. 2 BetrVG die notwendige Freistellung von der Arbeit zu gewähren und er kann auch nach der Versetzung seine Aufgaben als Betriebsratsmitglied im erforderlichen Umfang wahrnehmen.
5. Eine Feststellung nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ist zurückzuweisen, wenn der Arbeitgeber in offensichtlicher Verkennung der Dringlichkeit die personelle Maßnahme vorläufig vorgenommen hat. Das Merkmal "offensichtlich" ist mit dem groben Vorwurf der Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeit verbunden.
Normenkette
BetrVG § 100 Abs. 2, § 99 Abs. 1, 2 Nrn. 3-4, § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 15.02.2018; Aktenzeichen 1 BV 25/17) |
Tenor
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15.02.2018 - Az: 1 BV 25/17 - wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers sowie über die vorläufige Durchführung dieser Maßnahme.
Die antragstellende Arbeitgeberin stellt in ihrem Betrieb in A-Stadt, in dem sie 160 (Angabe der Arbeitgeberin) bzw. 168 (Angabe des Beteiligten zu 2) Arbeitnehmer beschäftigt, Flaschenverschlüsse her. Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der für diesen Betrieb gewählte, aus sieben Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Von der verfahrensgegenständlichen Versetzung betroffen ist Herr M. M., der Betriebsratsvorsitzende. In einem weitere Verfahren (Az. 8 Sa 97/18) streiten die Arbeitgeberin und Herr M. über die individualrechtliche Wirksamkeit der Versetzung.
Herr M. ist nicht freigestellt, übt aber zu mindestens 75 % seiner Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben aus, zuletzt rund 35 Stunden pro Woche. Herr M. ist seit dem 17. September 1990 bei der Antragstellerin beschäftigt (vgl. Arbeitsvertrag vom 11. September 1990, Bl. 165 d. A.). Er verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebsschlosser. Seit Begründung des Arbeitsverhältnisses arbeitete er unter anderem als Schichtführer, Einrichter, Vorarbeiter und bis 2012 als Instandhaltungsarbeiter. Seit dem Jahr 2013 übte er ausschließlich Tätigkeiten im Rahmen der ihm übertragenen Zusatzfunktionen als Energiemanagementbeauftragter sowie Beauftragter für den KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) aus. Herr M. ist in die Entgeltgruppe LG 1 des Lohnrahmentarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie Rheinland-Pfalz eingruppiert.
Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Wareneingang und Lager, Herr L., war seit dem 1. Oktober 2017 aus familiären Gründen freigestellt. Nach dieser Freistellung wurde jedenfalls zeitweise ein Leiharbeitnehmer in dem Bereich Wareneingang und Lager eingesetzt. Mit Ablauf des 30. November 2017 schied Herr L. wegen Renteneintritts aus dem Unternehmen aus. Er war schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 und Vorsitzender der Schwerbehindertenvertretung.
Die Arbeitgeberin beabsichtigte, die Stelle von Herrn L. wiederzubesetzen und schrieb diese am 18. September 2017 als Position "Mitarbeiter Lager & Wareneingang" intern aus (Bl. 54 d. A.). Ausweislich der Stellenausschreibung gehören zu den mit der Position verbundenen Aufgaben die Organisation des Ersatzteillagers, das Anlegen von Ersatzteilen im (Computer-)system, das Einholen von Angeboten für Ersatzteile, die Auslösung und Verfolgung von Bedarfen, die sogenannte "Klischeeverwaltung", die Organ...