Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Berufungsbegründung. Antrag auf Abschluss eines Vertrags und invitatio ad offerendum. Übersendung eines Vertragsentwurfs als invitatio ad offerendum. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers zur Urlaubnahme des Arbeitnehmers. Ausschlussfrist für den Urlausabgeltungsanspruch. Zulässige zweistufige vertragliche Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll.

2. Ein Antrag auf Abschluss eines Vertrags (§ 145 BGB) liegt nur dann vor, wenn die Erklärung - aus der Sicht des Adressaten - mit dem Willen zur rechtlichen Bindung abgegeben wird. Dagegen ist eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gegeben, wenn eine rechtsgeschäftliche Bindung erkennbar noch nicht gewollt ist, sich der Erklärende einen Vertragsabschluss also noch vorbehält. Fehlt eine Erklärung, sich vertraglich zu binden, handelt es sich nur um eine Aufforderung, Vertragsanträge abzugeben (sog. invitatio ad offerendum).

3. Mit der Vorlage einer von ihm noch nicht unterzeichneten Vertragsurkunde gibt der Arbeitgeber keine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Erklärung ab, sondern fordert den Arbeitnehmer lediglich zur Abgabe eines schriftlichen Vertragsangebots zu den in der Vertragsurkunde genannten Bedingungen auf.

4. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht rechtzeitig in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, kommt ein Erlöschen des Anspruchs nach Ablauf eines nach nationalem Recht zulässigen Übertragungszeitraums oder später nicht in Betracht.

5. Der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub kann als reiner Geldanspruch grundsätzlich einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegen.

6. Eine zweistufige vertragliche Ausschlussfrist ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung oder Intransparenz unwirksam, sie ist auch nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) oder deshalb unwirksam, weil sie fordert, Ansprüche "schriftlich" geltend zu machen.

 

Normenkette

BGB § 127 Abs. 2 S. 1, § 145; BUrlG § 7 Abs. 3-4; ZPO § 308 Abs. 1 S. 1, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; BGB § 305 Abs. 1, §§ 305c, 307 Abs. 1, § 362 Abs. 1; MiLoG § 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 13.04.2022; Aktenzeichen 5 Ca 701/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier - 5 Ca 701/21 - vom 13. April 2022 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Klarstellung halber insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.841,86 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Dezember 2020 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und zweiter Instanz trägt der Kläger jeweils zu 68 %, die Beklagte jeweils zu 32 %.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Urlaubsabgeltung, sowie über die Erteilung eines Zeugnisses.

Der 1954 geborene Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 08. August 2012 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tag (Bl. 4 ff. d. A.; im Folgenden: AV) als Kraftfahrer beschäftigt. Nach § 4 Abs. 1 AV vereinbarten die Parteien einen Bruttomonatslohn von 1.800,00 Euro (bei 50 Stunden/ Woche, vgl. § 3 Abs. 3 AV, 5-Tage-Woche, vgl. § 3 Abs. 6 AV), sowie gemäß § 4 Abs. 3 AV eine Überstundenvergütung von 8,69 Euro. Im Arbeitsvertrag heißt es des Weiteren auszugsweise:

"§ 8 Urlaub

1. Der Arbeitnehmer erhält einen Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen.

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Urlaubsansprüche erlöschen am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahr.

2. Im Jahr des Eintritts und Austritts erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat der Beschäftigung 1/12 seines Jahresurlaubs.

...

§ 11 Auflösung des Arbeitsverhältnisses

1. Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter die Voraussetzungen für den Anspruch auf die gesetzliche Altersrente erfüllt.

...

§ 15 Verfallfristen

Alle Ansprüche, die sich aus dem Anstellungsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von drei Monaten einzuklagen. Ansprüche, die aus einer vorsätzlichen Schädigung resultieren, sind vom Geltungsbereich dieser Ausschlus...

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