Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Benachteiligung einer Bewerberin wegen ihrer Behinderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dass eine mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Bewerberin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, begründet nur bei öffentlichen Arbeitgebern die Indizwirkung des § 22 AGG.

2. Die Formulierung im Bewerbungsschreiben "aufgrund meines GdB von 40% liegt eine Gleichstellung vor" reicht nicht aus, um den potentiellen Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft zu unterrichten, da es an einer klaren und eindeutigen Information fehlt.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2, §§ 22, 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 15.07.2016; Aktenzeichen 5 Ca 941/15)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 15.7.2016, Az.: 5 Ca 941/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin, die sich bei einem Bewerbungsverfahren benachteiligt sieht.

Die am 23.11.1957 geborene Klägerin ist gelernte Steuerfachgehilfin. Mit Schreiben vom 28.06.2015 bewarb sie sich auf eine vom Beklagten ausgeschriebene Stelle einer Verwaltungsmitarbeiterin. Bezüglich des Inhalts der Stellenausschreibung wird auf Blatt 19 f. d. A. Bezug genommen. Das Bewerbungsschreiben der Klägerin lautete wie folgt:

"Bewerbung als Verwaltungsmitarbeiterin in Teilzeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit bewerbe ich mich um die ausgeschriebene Position in der Geschäftsstelle Bad Kreuznach.

Ich suche eine neue Tätigkeit, da mein letztes Beschäftigungsverhältnis bei einer Berufsbetreuerin als Sachbearbeiterin leider wegen Arbeitsmangel beendet wurde.

Als gelernte Steuerfachgehilfin war ich in den letzten Jahren hauptsächlich im Bereich Personal/Lohn und Gehalt sowohl in Steuerkanzleien als auch bei Arbeitgebern diverser Branchen beschäftigt und habe die Ausbilder-Eignungsprüfung vor der "IHK abgelegt.

Der Umgang und die Korrespondenz mit Behörden und Ämtern waren in meinen vorhergehenden Anstellungen immer ebenso wichtig wie die Kommunikation mit Arbeitgebern und Mitarbeitern.

Auf Grund meines GdB von 40 % liegt eine "Gleichstellung" vor.

Aus meinem Lebenslauf können Sie weitere Qualifikationen ersehen.

Falls Sie Interesse haben, würde ich mich gern persönlich vorstellen und Ihnen weitere Details zu meiner Bewerbung erläutern.

Mit freundlichen Grüßen

A."

Diesem Bewerbungsschreiben war ein Lebenslauf beigefügt, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 32 - 34 d. A. Bezug genommen wird.

Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 27.01.2012 war die Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden.

Mit E-Mail des Beklagten vom 07.08.2015 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nicht berücksichtigt werden könne.

Mit Schreiben vom 11.08.2015 sowie mit Schreiben vom 16.09.2015 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Diskriminierung bei der Neubesetzung der ausgeschriebenen Stelle geltend.

Mit ihrer am 11.11.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch genommen.

Am 25.02.2016 erging gegen die Klägerin ein klageabweisendes Versäumnisurteil. Gegen dieses, ihr am 03.03.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 04.03.2016 Einspruch eingelegt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 15.07.2016 (Bl. 138 - 144 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils mit Urteil vom 15.07.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 - 18 (= Bl. 144 - 154 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 06.09.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.10.2016 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 07.11.2016 begründet.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei sie vom Beklagten im Bewerbungsverfahren wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt worden. Da der Beklagte es unterlassen habe, die Schwerbehindertenvertretung über ihre Bewerbung zu unterrichten, spreche für eine solche Benachteiligung bereits die Vermutungsregel des § 22 AGG. Unzutreffend sei die Auffassung des Arbeitsgerichts, sie - die Klägerin - habe den Beklagten im Bewerbungsschreiben nicht in ausreichender Weise darüber informiert, dass sie nach § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sei. Die Formulierung im Bewerbungsschreiben "auf Grund meines GdB von 40 % liegt eine "Gleichstellung" vor" sei von ihr als juristischen Laien unte...

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