Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung durch Nichteinladung. Vorstellungsgespräch mit schwerbehindertem Bewerber. Definition der geeigneten Hilfstatsache. Öffentlicher Arbeitgeber und Diskriminierungsschutz
Leitsatz (amtlich)
1) Unterläßt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG.
2) Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Bewerber im Bewerbungsschreiben wörtlich auf seine "Schwerbehinderung" hingewiesen hat.
Normenkette
AGG § 22; SGB IX § 82; AGG § 15 Abs. 2; SGB IX § 2 Abs. 2; AGG § 7
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.10.2013; Aktenzeichen 7 Ca 3632/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.10.2013 - 7 Ca 3632/13 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 44 % und die Beklagte zu 56 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen einer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren eine Entschädigung zu zahlen.
Der am 14.05.1956 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60 (vgl. hierzu die Kopie seines Schwerbehindertenausweises Bl. 34 und 35 d.A.). Bei der Beklagten handelt es sich um die in Düsseldorf ansässige Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.
Der Kläger studierte nach Erlangung der Fachhochschulreife und nach einer Ausbildung zum Großhandelskaufmann zwei Jahre lang Wirtschaftswissenschaften. Im Anschluss an eine 10jährige Tätigkeit als Gruppenleiter/Gebietsreferent arbeitete er zwischen 1991 und 1996 dann als Einkaufsleiter. Anschließend war er bis Mitte 2003 als Vertriebskaufmann tätig. Es folgte eine Anstellung im Bereich "Business Development Manager Health Care", wobei er u.a. mit der Planung, Entwicklung und Umsetzung der Verkaufsstrategie, aber auch mit Umsatzanalysen und mit der Aquirierung von Neukunden beschäftigt gewesen ist. Im Anschluss an eine Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit zwischen Januar 2009 und November 2009 arbeitete der Kläger als Verwaltungsmitarbeiter bis einschließlich April 2012 (vgl. zum beruflichen Werdegang seine Angaben im Lebenslauf Bl. 8 und 9 d.A.). Über seine Tätigkeit ab Mai 2012 besteht zwischen den Parteien Streit.
Am 23.02.2013 schrieb die Beklagte die Stelle eines kaufmännischen Sachbearbeiters aus. In der Ausschreibung heißt es u.a.:
"Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf und haben einschlägige Berufserfahrung."
"Wir bieten eine abwechslungsreiche Tätigkeit in einem motivierten Team, das sich auf Ihre Unterstützung freut, eine leistungsgerechte Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich betrieblicher Altersvorsorge sowie gleitende Arbeitszeit."
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 26.02.2013 (Bl. 7 d.A.) neben mehreren anderen Bewerbern auf die besetzende Stelle. Im Bewerbungsschreiben des Klägers heißt es u.a.:
"Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren. In meiner aktuellen Position bin ich als kaufmännischer Mitarbeiter in der Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit tätig und mitverantwortlich für die Bereiche Ehrenamt und Verbandsarbeit. Der routinierte Umgang mit gängigen MS-Office-Programmen und administrativen Prozessen ist mir vertraut und gehört zu meinem Berufsalltag. Leider ist meine projektbezogene Tätigkeit befristet und deshalb suche ich jetzt eine Aufgabe mit neuen beruflichen Perspektiven."
Die Beklagte lud den Kläger in der Folgezeit nicht zu einem Bewerbungsgespräch ein. Nach Intervention des Klägers mit Schreiben vom 11.04. und 11.05.2013 teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 16.05.2013 mit, dass die Auswahlentscheidung zugunsten eines anderen Bewerbers ausgefallen wäre.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 machte der Kläger daraufhin gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 7.053,24 € geltend. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Mit seiner am 06.06.2013 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und die Auffassung vertreten, dass er im Rahmen seiner Bewerbung wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Er hat hierzu auf die nicht erfolgte Einladung zu einem Bewerbungsgespräch verwiesen und diesen Verstoß der Beklagten als besonders gravierend bezeichnet.
Er hat behauptet, er wäre auf der ausgeschriebenen Stelle mindestens in Stufe 4 der Entgeltgruppe 5 TVöD-VKA eingruppiert worden. Dies hätte einer monatlichen Vergütung in Höhe von 2.351,08 € entsprochen, sodass ihm gemäß § 15 AGG ein Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zustehe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.0...