Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs wegen Benachteiligung wegen einer Behinderung

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem schwerbehinderten Bewerber steht nur dann ein Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung wegen einer Behinderung zu, wenn er den Arbeitgeber in seiner Bewerbung ausdrücklich auf die Behinderung hingewiesen hat. Dies hat in der Form zu geschehen, dass im Bewerbungsschreiben selbst die Behinderung unter Angabe des Grades der Behinderung angegeben wird.

Dem wird nicht genügt, wenn der Bewerber nur beiläufig auf seine Behinderteneigenschaft hinweist, indem er Informationen über Aktivitäten in Behindertenvertretungen gibt und wenn auch eine Ablichtung des Schwerbehindertenausweises der Bewerbung lediglich kommentarlos beigefügt ist.

 

Normenkette

AGG §§ 15, 22; SGB IX §§ 82, 81; AGG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 12.06.2015; Aktenzeichen 1 Ca 3/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 12.06.2015 - 1 Ca 3/15 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend.

Der 1966 geborene Kläger ist schwerbehindert. Im Jahr 2007 erwarb er einen Magisterabschluss (Magister Artium). Dieser wurde mit Bescheid vom 16.10.2007 als 1. Staatsexamen für das Lehramt in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften anerkannt (Bl. 82 GA). Die Anerkennung war auf 4 Jahre befristet und sollte ihre Gültigkeit verlieren, wenn nicht bis zu diesem Zeitpunkt die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für das entsprechende Lehramt erfolgt ist oder dieser Vorbereitungsdienst ohne Abschluss eines 2. Staatsexamens endet. Bis heute verfügt der Kläger über kein 2. Staatsexamen. Er befindet sich auch nicht im Vorbereitungsdienst. Auf Basis der obigen Anerkennung wurde der Kläger zumindest seit 2007 von dem beklagten Land mehrfach im Anstellungsverhältnis auf Basis befristeter Verträge als Vertretungslehrer in den oben genannten Fachrichtungen bzw. in vergleichbaren Fachrichtungen wie Politik, Gesellschaftslehre und Wirtschaftslehre beschäftigt.

Die Beklagte schreibt offene Stellen für Vertretungslehrer über ein landesweites Online-Portal ("Vertretungseinstellung nach Angebot", kurz: "VERENA") aus. Die Beklagte weist dort darauf hin, dass die "Bewerbung schwerbehinderter Menschen und diesen Gleichgestellten....erwünscht" ist. Im Portal VERENA war auch die streitgegenständliche Stelle aufgeführt. Ausweislich der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hatte sich der Kläger bei dem Portal angemeldet und erhielt vom Land elektronisch Benachrichtigungen über für ihn geeignete Stellen, so auch bei der hier streitgegenständlichen Stellenausschreibung. Ausweislich der Stellenbeschreibung wurde befristet vom 20.08.2014 bis 31.01.2015 ein Lehrer für die Fächer Deutsch und ein beliebiges Fach mit einem Umfang von 18,5 Wochenstunden (entspricht 72,5 % einer Vollzeitstelle) benötigt (Bl. 18 GA). Mit E-mail vom 16.08.2014 bewarb sich der Kläger innerhalb der am 20.8.14 endenden Bewerbungsfrist u.a. auf diese Stelle, die der Bundesagentur für Arbeit nicht gemeldet worden war.

In seinem Bewerbungsschreiben im Umfang von einer DIN-A-4-Textseite (insgesamt 23 Zeilen Bewerbungstext) hieß es im vierten Textabschnitt in den Zeilen 17 - 21 (Bl. 21 GA):

"Die Betreuung ausländischer Studierender, die Sprachvermittlung im Bereich der interkulturellen Germanistik, wie auch mein Engagement in der Behindertenberatung, in der auch eigene Erfahrungen als Schwerbehinderter zum Ausdruck kommen, förderten ein in jeder Hinsicht gewissenhaftes und problemorientiertes Arbeiten."

Einen sonstigen Hinweis auf eine bestehende Schwerbehinderung gibt es im Anschreiben nicht. Die E-mail umfasste verschiedene Anlagen (Bl. 21, 22 GA):

Dienstliche Beurteilung LBB.pdf

Arbeitszeugnis HHBK.pdf

Referenz Gymnasium X.pdf

Referenz Gymnasium H 2010.pdf

Referenz AStA 2009.pdf

Referenz Studentenwerk 2009.pdf

Schwerbehindertenausweis 2010.pdf

Magisterzeugnis.pdf

Staatsexamen 2007.pdf

Lebenslauf 7.2014.doc

Dr.-Diplom T.pdf

Bewerbung Ngymnasium.doc.

In der Beurteilung des LB-Berufskollegs der Stadt C vom 15.5.2013 (= "Dienstliche Beurteilung LBB.pdf" / Bl. 70 GA) heißt es im vorletzten Unterpunkt unter

"III. Sonstige Hinweise mit Einverständnis der Lehrerin

Herr T ist schwerbehindert."

Ein ebenfalls in dieser Weise als Anlage eingereichtes Referenzschreiben des Studentenwerks E vom 12.1.09 bescheinigt dem Kläger, dass er einen eigenen Beratungsbereich für Studierende mit chronischer Behinderung aufgebaut und hierbei "durch seine eigenen Erfahrungen" Zugang zu den Betroffenen gefunden habe (Bl. 78 GA). Schließlich war auch, wie in der Anlagenliste angekündigt, eine Kopie eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises vom 16.06.2009 beigefügt (Bl. 80 GA).

Ohne dass der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre, erhielt er auf seine Rück...

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