Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzpflicht wegen Nichteinladung eines Schwerbehinderten zum Einstellungsgespräch
Leitsatz (amtlich)
Die Nichteinladung eines Schwerbehinderten zum Einstellungsgespräch kann einen Entschädigungsanspruch bei objektiver Kenntnis der Mitarbeiter des Arbeitgebers auch dann begründen, wenn diesem die Rechtlage gem. § 82 S. 2 SGB IX nicht bekannt ist.
Normenkette
AGG § 1 Abs. 2, § 15 Abs. 2; SGB IX § 82 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 11.06.2015; Aktenzeichen 4 Ca 108/15) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.06.2015 - 4 Ca 108/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung bei einer Bewerbung.
Der 1966 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er verfügt über die formale Befähigung als Vertretungslehrer in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften sowie in den damit zusammenhängenden Fächern (wie z. B. Gesellschaftslehre, Politik).
Gemäß des Runderlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 20.06.2022 (ABl. NRW. 1 S. 269) "Vertretungsunterricht im Rahmen des Programms "Flexible Mittel für Vertretungsunterricht"; Anwendungshinweise und Mittelverteilung" werden unter dem Punkt 4, der nachfolgend auszugsweise zitiert wird, für die als Vertretungslehrer in Frage kommenden Personen folgende Hinweise gegeben:
"4.1. (...). Hierzu sollte jede Schule über eine Interessentenliste zur Erteilung von Vertretungsunterricht verfügen, in die mit ihrem Einverständnis Personen aufgenommen werden, die für Vertretungsunterricht in Frage kommen. Zu denken ist dabei insbesondere an pensionierte Lehrkräfte, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter sowie an andere geeignete, nebenberuflich tätige Personen, aber auch an beurlaubte und an arbeitslose Lehrkräfte.
(...)
4.3. Im Interesse einer effizienten Nutzung des Programms "Flexible Mittel für Vertretungsunterricht" können auch fachlich ausgebildete Personen ohne Lehramtsbefähigung im Rahmen des Vertretungsunterrichts beschäftigt werden, falls sie zur Unterrichtserteilung in der Lage sind. (...)."
Der Kläger schloss sein Studium im Jahr 2007 mit dem Abschluss Magister Artium ab, welches von der Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheinigung vom 16.07.2007 (Anlage B 1, Seite 10 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 26.03.2015) als Erste Staatsprüfung grundsätzlich anerkannt wurde. Über ein Zweites Staatsexamen (oder einen hiermit gleichwertigen bzw. entsprechend anerkannten Abschluss) verfügt der Kläger nicht. Seit dem Jahr 2007 war der Kläger an verschiedenen Schulen und Berufskollegs des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen befristeter Beschäftigungsverhältnisse als Vertretungslehrer unter anderem auch für das Fach Sozialwissenschaften eingesetzt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Lebenslaufs wird auf die zu der Akte gereichten Anlage 3 (Blatt 28 bis 31 der Akte) verwiesen.
Bei der Internetsuchmaschine VERENA, einem Internetportal, welches dem Nutzer einen Überblick über Vertretungsbedarfe in Nordrhein-Westfalen anzeigt, stellte der Kläger einen Suchauftrag für Stellenausschreibungen als Vertretungslehrer für die Fächer Deutsch und Sozialwissenschaften ein. Aufgrund des Suchauftrags erhielt er sodann am 20.07.2014 über dieses Portal eine E-Mail mit einer Stellenausschreibung des Märkischen Gymnasiums T. Ausgeschrieben war eine Stelle für die Fächer Sozialwissenschaften (Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft) in einem Umfang von 18 Wochenstunden für den Zeitraum 20.08.2014 bis 30.01.2015. Die Bewerbungsfrist für diese Stelle endete mit Ablauf des 06.08.2014 (Blatt 24 der Akte). Der Kläger bewarb sich per E-Mail am 23.07.2014 auf diese Stelle. Seine Bewerbung umfasste dabei neben dem Anschreiben an das Märkische Gymnasium T (Blatt 25 der Akte) unter anderem seinen Lebenslauf (Blatt 28 bis 31 der Akte), eine Kopie der ersten Seite des unbefristet erteilten Schwerbehindertenausweises sowie eine dienstliche Beurteilung vom 15.05.2013 (siehe zu den Bewerbungsunterlagen des Klägers 14-seitiges Anlagenkonvolut B 1, Seiten 4 bis 17, zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 26.03.2015). Diese Unterlagen waren der E-Mail des Klägers vom 23.07.2014 jeweils als pdf-Dokumente anhängt worden, wobei jede Datei ihrem Inhalt entsprechend bezeichnet worden ist, so etwa die Datei, welche die Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises des Klägers enthielt, mit "Schwerbehindertenausweis 2010.pdf" (siehe hierzu Übersicht der Anlagen zur Bewerbung, Blatt 26 der Akte).
Im Rahmen seines Anschreibens an das Märkische Gymnasium T (Blatt 25 der Akte) führte der Kläger im vorletzten Absatz aus:
"Die Betreuung ausländischer Studierender, die Sprachvermittlung im Bereich der interkulturellen Germanistik, wie auch mein Engagement in der Behindertenberatung, in der auch eigene Erfahrungen als ...