Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragsklausel. Arbeitszeit. BezirksTV-kommunaler-Nahverkehr. Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Arbeitszeitregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweitige normative Regelungen sind i.d.R. dynamisch zu verstehen.
2. Ändert sich aufgrund Änderungstarifvertrags die wöchentliche Arbeitszeit auf 39 Stunden, so gilt dies für das Arbeitsverhältnis, wenn im Arbeitsvertrag dynamisch auf diesen Änderungstarifvertrag Bezug genommen ist.
Normenkette
BezTV-N-RP § 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 16.02.2011; Aktenzeichen 8 Ca 2118/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16.02.2011 – 8 Ca 2118/10 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob sich aus einer arbeitsvertraglich getroffenen Regelung die Geltung einer 38,5-Stunden-Woche oder eine 39-Stunden-Woche ergibt.
Der Kläger wird mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 08./12. April 2002 von der Beklagten, die Mitglied im K R-P ist, als Busfahrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
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Herr A., geboren am 14.08.1974 in B-Stadt
wohnhaft: A-Straße in B-Stadt
wird ab 01.05.2002
bei den V L AM R GMBH als Arbeiter unter Einreihung in die Entgeltgruppe 5 (BezTV-N RP) unbefristet beschäftigt.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe (BezTV-N RP) vom 08. Juni 2001 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden Betriebs- und Dienstvereinbarungen Anwendung.
§ 3
Die Probezeit beträgt 6 Monate.
§ 4
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.
(…)”
Nach dem zwischen dem K R-P und der Gewerkschaft v abgeschlossenen Bezirkstarifvertrag für die k V (BezTV-N RP) vom 08. Juni 2001 betrug die regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages der Parteien 38,5 Stunden wöchentlich. Zum 01. Juli 2008 wurde im Rahmen der Änderung dieses Bezirkstarifvertrages die tarifvertraglich geregelte Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden angehoben. Am 08. Juni 2008 schloss u. a. die Beklagte mit der Gewerkschaft v einen Rahmentarifvertrag vom 16. Dezember 2008 (Ü-MTV-RNV) zur Überleitung auf den Manteltarifvertrag (MTV-RNV) für die Arbeitnehmer vom 08. Juni 2005. Nach § 4 Abs. 1 dieses Überleitungstarifvertrages bemisst sich die Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer nach der Überleitung der Tarifverträge ausschließlich nach den Bestimmungen des MTV-RNV, wonach die Arbeitszeit ebenfalls 39 Stunden pro Woche beträgt.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
gemäß dem eindeutigen Wortlaut der in § 4 seines Arbeitsvertrages enthaltene Regelung betrage die wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Eine nachvollziehbare Begründung, warum nur die wöchentliche Arbeitszeit als einzige Tarifregelung deklaratorisch erwähnt würde, gäbe die Beklagte nicht und sei auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen dem Hinweis der Beklagte auf das Nachweisgesetz habe die Wochenarbeitszeit gemäß § 2 Abs. 3 NachwG gerade keiner Dokumentation im Arbeitsvertrag bedurft, wenn insoweit ein Tarifvertrag gelten solle. Etwaige Zweifel bei der Auslegung gingen nach § 305 c BGB zu Lasten der Beklagten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass für das Arbeitsverhältnis der Parteien die 38,5-Stunden-Woche gilt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung
beantragt und erwidert, in § 4 des Arbeitsvertrages sei lediglich deklaratorisch auf die nach dem damals gültigen Tarifvertrag verbindliche Arbeitszeit hingewiesen worden. Verweise ein Arbeitsvertrag auf den für ein Unternehmen gültigen Tarifvertrag, so sei regelmäßig ohne besondere Anhaltspunkte im Vertrag davon auszugehen, dass der Arbeitgeber keine vom Tarifvertrag abweichende Regelung habe treffen wollen. Bei einer im Zusammenhang stehenden Betrachtung der arbeitsvertraglichen Regelung in § 2 ergäbe sich, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses insgesamt nach dem zugrunde liegenden Tarifvertrag hätten richten wollen. Aus dem Arbeitsvertrag würden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass hier eine einzelvertraglich vom Tarifvertrag abweichende Regelung habe getroffen werden sollen. Vor diesem Hintergrund würden sich keine Vertragsbestimmungen ergeben, auf die die Unklarheitenregelung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB Anwendung finden könnte. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 NachwG die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festzuhalten sei. In § 2 des Arbeitsvertrages hätten die Parteien unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sich das gesamte Arbeitsverhältnis nach dem damals gültigen Bezirkstarifvertrag und in Zukunft nach den diesen ersetzenden Tari...