Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessungsgrundlage. Entgeldfortzahlung. Rufbereitschaft nach TV-L

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Berücksichtigung von Rufbereitschaftszeiten, die durch Freizeitausgleich auf einzelvertraglicher Grundlage ausgeglichen wurden, bei der Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung 2. Rufbereitschaft und reguläre Arbeitszeit

2. Ein Ausgleich von Rufbereitschaftszeiten durch bezahlten Freizeitausgleich ist nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) tariflich nur zulässig, wenn ein Arbeitszeitkonto nach § 10 TV-L eingerichtet ist. Fehlt es hieran, ist die auf Rufbereitschaftszeiten entfallende Vergütung trotz Freizeitausgleich im Rahmen der Bemessungsgrundlage nach § 21 TV-L zu berücksichtigen.

3. Zeiten der Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaftszeiten bleiben auch dann Arbeitszeiten innerhalb der Rufbereitschaft, wenn sich die Arbeiten über den regulären Dienstbeginn hinaus erstrecken. Dies gilt jedenfalls für die bis zum Beginn des regulären Dienstes geleistete Arbeitsstunden. Eine „Umwidmung” derartiger Zeiten in reguläre Arbeitszeit ist auch durch eine entsprechende Dienstvereinbarung nicht möglich, da Beginn und Ende der Rufbereitschaft im Vorhinein feststehen müssen

 

Normenkette

BGB § 242; TV-L § 10 Abs. 1, 3, §§ 21, 8 Abs. 1, 5; TVG § 4 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 10.03.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1853/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.04.2013; Aktenzeichen 5 AZR 97/12)

 

Tenor

Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.03.2011, Az.: 3 Ca 1853/10, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 10,89 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2011 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 84 % und die Beklagte zu 16 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Berechnung und Höhe der Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der auf ihr Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung findet.

Der Kläger ist seit dem 01.01.2001 als Betriebsdienstarbeiter beim beklagten Land (hier: X.) beschäftigt. Er wird dabei auch zu Winterdiensteinsätzen herangezogen.

Anfang des Jahres 2007 beantragte der X, beim Ministerium Y. des beklagten Landes, den Beschäftigten die Möglichkeit einzuräumen, die in der Rufbereitschaft geleisteten Stunden in Freizeit abgelten zu können. Mit Schreiben vom 03.04.2007 erteilte das Ministerium Y. sein Einverständnis, einstweilen entsprechend des Antrags zu verfahren bis ein Arbeitszeitkonto nach § 10 TV-L eingerichtet ist. Mit Schreiben vom 15.05.2007 beantragte der Kläger, seine in der Rufbereitschaft geleisteten Stunden in Freizeit ausgleichen zu dürfen. Diesem Antrag gab das beklagte Land mit Schreiben vom 25.05.2007 unter der Prämisse in Anlehnung an § 8 Abs. 2 TV-L statt, dass der Freizeitausgleich jeweils innerhalb von drei Monaten erfolge und keine betrieblichen Interessen entgegenstünden.

In der Folgezeit glich der Kläger die in der Rufbereitschaft geleistete Arbeitszeit (zumindest teilweise) durch Freizeitnahme aus. Die in der Zeit der Erbringung der tatsächlichen Arbeitszeit während der Rufbereitschaft anfallenden Zuschläge wurden vollständig an den Kläger zur Auszahlung gebracht. Für die Bemessung der Berechnungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts ließ das beklagte Land die in der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten und später seitens des Klägers durch Freizeitnahme ausgeglichenen Stunden außer Ansatz und rechnete – nachträglich – nur den 30%igen, an den Kläger zur Auszahlung gelangten, Zeitzuschlag an. Im März 2010 widerrief der Kläger seinen Antrag auf Gewährung der während der Rufbereitschaft geleisteten Stunden in Freizeit. Ein Arbeitszeitkonto im Sinne des § 10 TV-L ist erst seit dem 1.11.2010 eingerichtet.

Für die beim beklagten Land in der S. Beschäftigten besteht die „Dienstvereinbarung Nr. 34 über die Arbeitszeit der S.” vom 21.12.2007 (Bl. 33 ff. d.A.). Diese regelt in § 2 den Betriebsdienst der S., soweit vorliegend von Relevanz, wie folgt:

„Die reguläre Arbeitszeit der Beschäftigten im Betriebsdienst verteilt sich auf die Wochentage Montag bis Freitag wie nachfolgend beschrieben…

b) Beschäftigte

In der Sommerperiode

montags – donnerstags:

7:00 Uhr bis 12:00 Uhr

12:30 Uhr bis 15:45 Uhr

freitags:

7:00 Uhr bis 12:30 Uhr

In der Winterperiode

montags – donnerstags:

7:30 Uhr bis 12:00 Uhr

12:30 Uhr bis 16:15 Uhr

freitags:

7:30 Uhr bis 13:00 Uhr

Hinsichtlich des Winterdiensteinsatzes trifft § 3 der Dienstvereinbarung folgende Regelungen:

„Die Winterdiensteinsätze sind aus der Rufbereitschaft heraus zu organisieren.

Winterdiensteinsatz der Straßenmeistereien

Der bei entsprechender Witterlage notwendige Kontrolldienst zur Feststellung ob Winter...

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