Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Urlaubsansprüche, Verfall. Übertragung von Urlaubsansprüchen gem. § 17 S. 2 MuSchG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber kann nicht im Nachhinein eine erfolgte Freistellung wegen eines Beschäftigungsverbots „umwidmen” in eine Urlaubsfreistellung.
2. § 17 S. 2 MuSchG ist auf absolute und individuelle Beschäftigungsverbote anwendbar.
Normenkette
BUrlbG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 15.05.2008; Aktenzeichen 7 Ca 2342/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.05.2008, AZ: 7 Ca 2342/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Tierarztpraxis betreibt, auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.12.2002 (Blatt 5 bis 14 der Akte) ab 01.01.2003 bis einschließlich 31.05.2007 als Assistenztierärztin bei einem monatlichen Bruttogehalt von 2.950,00 EUR beschäftigt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages betrug die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich 48 Stunden. Die Klägerin hatte ihre Arbeitsleistung an sechs Tagen/Woche zu erbringen. In § 7 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch von 28 Tagen.
Im Jahr 2006 wurde die Klägerin schwanger. Der Beklagte stellte sie ab Mai 2006 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung wegen eines Beschäftigungsverbotes frei. Die Klägerin hatte im Jahr 2006 vor der Freistellung zwei Tage Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Die Mutterschutzfrist gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG begann am 26.10.2006. Am 03.12.2006 wurde das Kind der Klägerin geboren. Nach Ablauf der Mutterschutzfristen befreite sie der Beklagte erneut wegen des Bestehens eines gesetzlichen Beschäftigungsverbotes von der Arbeitspflicht. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.04.2007 zum 31.05.2007 und teilte ihr mit Schreiben vom 10.05.2007, am 12.05.2007 zugegangen mit, dass er sie ab dem 11.05.2007 unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freistelle. Die Klägerin forderte den Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrfach erfolglos zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf.
Mit am 13.12.2007 beim Arbeitsgericht Koblenz erhobener Klage machte die Klägerin die Zahlung von Urlaubsabgeltung für insgesamt 38 Urlaubstage in Gesamthöhe von 4.311,54 EUR brutto geltend.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
ihr stehe ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für in den Jahren 2006 und 2007 nicht genommenen Erholungsurlaub von insgesamt 38 Urlaubstagen (2006: 26 Urlaubstage, 2007: 12 Urlaubstage) zu. Ab Mai 2006 habe ein generelles Beschäftigungsverbot gemäß § 4 MuSchG bestanden. Der Erholungsurlaub aus dem Kalenderjahr 2006 sei nicht am 31.12.2006 erloschen, sondern gemäß § 17 Satz 2 MuSchG übertragen worden.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.311,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat erwidert,
die Klägerin habe keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der Erholungsurlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr 2006 sei gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. § 17 Satz 2 MuSchG finde lediglich auf die während der vor- und nachgeburtlichen Mutterschutzfristen bestehenden absoluten Beschäftigungsverbote sowie auf individuelle Beschäftigungsverbote, bei denen der Arbeitnehmerin jegliche Arbeitstätigkeit untersagt sei, Anwendung. Allenfalls der anteilige Jahresurlaub von 4,66 Urlaubstagen aus dem Jahr 2006, der in die Zeit der Mutterschutzfrist ab dem 26.10.2006 falle, sei in das Kalenderjahr 2007 übertragen worden. Der Beklagte habe die Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Tierärztin von der Arbeitspflicht suspendiert; es habe ein individuelles arbeitsplatzbezogenes Beschäftigungsverbot bestanden. Er hätte ihr ab Mai 2006 andere Aufgaben, z. B. Telefondienst oder die Abrechnung von Leistungen in der Praxis zuweisen können. Deshalb sei der Urlaubsanspruch auch erfüllbar gewesen. Den Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2007 habe die Klägerin im Mai 2007 in natura erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs.2 ArbGG im Übrigen Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.05.2005, AZ: 7 Ca 2342/07, dort Seite 3 bis 5, Blatt 44 bis 46 der Akte.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 15.05.2008 zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.565,42 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 23 in den Kalenderjahren 2006 und 2007 nicht genommene Urlaubstage gemäß §§ 7 Abs. 4, Abs. 3 BUrlG, 17 Abs. 2 MuSchG, 611...