Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Klage bei bestehender Immunität
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf zwischenstaatliche Organisationen, soweit sie aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Liegt ein Immunitätstatbestand vor, ist das nationale Gericht zur Entscheidung in der Sache nicht befugt.
2. Die NATO und ihre Unterorganisationen sind von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1; GVG § 20 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 22.08.2017; Aktenzeichen 3 Ca 629/17) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. August 2017, Az. 3 Ca 629/17, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der in Deutschland, R., ansässigen NCI Agency CSU R. weder durch eine außerordentliche Kündigung noch durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, sowie die Aufhebung einer Entscheidung des NATO Administrative Tribunals.
Die Klägerin war seit dem 1. September 2005 bei der NCSA Sector R., der Rechtsvorgängerin der NCI Agency CSU R. als internationale NATO-Bedienstete aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 1. September 2005 (deutsche Übersetzung Bl. 21 ff. d. A.) bzw. vom 31. Mai 2006 (deutsche Übersetzung Bl. 24 f. d. A.), zunächst befristet bis zum 31. August 2006, sodann unbefristet ab dem 1. September 2006 beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 2010 arbeitete die Klägerin nach erfolgreicher Bewerbung bei der NATO-Einheit "NATO Communications and Information School (NCISS)" in L./Italien zunächst befristet, sodann auf der Grundlage eines weiteren Arbeitsvertrags mit dem "Headquarters Allied Joint Force Command Naples" vom 6. Oktober 2011 (deutsche Übersetzung Bl. 26 f. d. A.) mit Wirkung zum 1. Oktober 2011 unbefristet. Das monatliche Bruttogehalt der Klägerin betrug circa 6.000,00 €.
Der Vertrag wurde mit Wirkung vom 5. Februar 2015 nach Art. 45.7.1 der NATO Personalordnung für das zivile Personal (Civilian Personnel Regulations - im Folgenden: CPR) mit Schreiben vom 16. Februar 2015 (in englischer Sprache Bl. 52 d. A.) beendet.
Die Klägerin legte zunächst zwei Widersprüche ein und reichte sodann am 18. August 2015 Klage beim NATO Administrative Tribunal ein. In dem rechtlichen Überprüfungsverfahren vor dem NATO Administrative Tribunal in Brüssel zielte sie ab auf die Aufhebung der Entscheidung vom 16. Februar 2015 des Generaldirektors der NATO-Agentur für Kommunikation und Information (NCIA), mit der ihr Arbeitsvertrag beendet wurde, auf Gewährung einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeitsrente, ersatzweise auf die Gewährung eines Schadensersatzes für den materiellen und immateriellen Schaden auf Grund der ausgebliebenen Rente und auf Rückerstattung der zu ihrer Verteidigung entstandenen Kosten. Daraufhin hob das Kollegium des NATO Administrative Tribunals in der Besetzung Vorsitzender C. d. C., Richter J. D. und Richter L. T. auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2016, die auf Antrag der Klägerin nicht-öffentlich stattfand, am 20. April 2016, Az. Nr. 2015/1055 (Kopie Bl. 61 ff. d. A.) die angegriffene Entscheidung vom 5. Februar 2015 auf, soweit diese das Dienstverhältnis vor dem 1. März 2015 beendet hatte, und verurteilte die hiesige Beklagte, an die Klägerin 1.000,00 € als teilweise Erstattung der Kosten für ihre Verteidigung zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Weitere organisationsinterne Rechtsschutzmöglichkeiten stehen der Klägerin gegen die Entscheidung vom 20. April 2016 nicht zu.
Die Klägerin war der Ansicht,
das Schreiben vom 16. Februar 2015 stelle keine formwirksame Kündigungserklärung unter Beachtung des zwingenden Schriftformerfordernisses der §§ 623, 126 BGB dar. Die streitgegenständliche Kündigung leide daneben zugleich an schwerwiegenden materiell-rechtlichen Wirksamkeitsdefiziten Ein Kündigungsgrund für eine ordentliche Kündigung sei nicht ersichtlich. Eine kündigungsweise Beendigung des Anstellungsverhältnisses der Klägerin in L., Italien sei der Beklagten nach ihren eigenen, organisationsintern verbindlich geltenden Regularien verwehrt gewesen. Sie habe im Kündigungszeitpunkt am 16. Februar 2015 aus medizinischer Sicht die Bedingungen einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit erfüllt und hätte nach den für sie im Einzelnen geltenden Versicherungsbedingungen der "Allianz Worldwide Care" Anspruch auf den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt. Durch den rechtswidrigen Ausspruch der Kündigungserklärung ohne vorherige Evaluierung ihres aktuellen und zukünftig zu erwartenden Gesundheitszustandes habe die Beklagte ihr die materiell-rechtliche Berechtigung zur Inanspruchnahme der ihr in Anbetracht ihrer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich zustehenden Erwerbsunfähigkeitsrente bei ...