Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsche Gerichtsbarkeit als Prozessvoraussetzung. Immunität als Verfahrenshindernis. Ausschluss deutscher Gerichtsbarkeit durch die "NATO Civilian Personnel Regulations" (NCPR)
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung. Fehlt sie, ist die Klage unzulässig und muss abgewiesen werden.
2. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf zwischenstaatliche Organisationen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts von ihr befreit sind. Eine danach gegebene Immunität stellt ein Verfahrenshindernis dar. Dieses selbstständige Hindernis prozessualer Art steht dem gerichtlichen Tätigwerden entgegen.
3. Die Bestimmungen der NCPR sehen ein eigenständiges Gerichtsverfahren vor dem Administration Tribunal vor, damit unterschiedliche Entscheidungen durch nationale Gerichte vermieden werden. Für das internationale Personal der NATO-Dienststellen steht dieser spezielle Rechtsweg offen, die deutsche Gerichtsbarkeit ist damit ausgeschlossen.
Normenkette
Ergänzungsabkommen zum Pariser Protokoll Art. 11 Abs. 2 S. 1, Art. 7 Sätze 1, 3, Art. 8 Abs. 2; GG Art. 23 Abs. 1 Sätze 2-3, Art. 79 Abs. 1; GVG Art. 20 Abs. 2; NCPR Ottawa-Abkommen Art. 5 S. 1; Pariser Protokoll Art. 16 Abs. 2; WVKIO Art. 31 Abs. 1, Art. 32; GG Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 15.04.2021; Aktenzeichen 1 Ca 1074/20) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt in der Sache über die Kürzung der Rente des Klägers, die dieser als internationaler ziviler Bediensteter der NATO erdient hat, und im Zusammenhang damit über die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit.
Der Kläger war seit dem Jahr 1979 als ziviler Bediensteter eines in der Bundesrepublik Deutschland errichteten Hauptquartiers der NATO, der nach der Dienstbezügeordnung der NATO besoldet wurde und in der Verwaltung des Hauptquartiers eine Dauerstellung einnahm (internationales Personal) beschäftigt. Zuletzt war er kraft schriftlichen "Contract of employment" vom 08. Dezember 2004 (Bl. 381 f. d. A.) bei dem NATO-Hauptquartier Allied Air Component Command Headquarters Z.-Stadt (HQ AIRCOM) beschäftigt. HQ AIRCOM ist der Beklagten unterstellt, welche allein nach Art. 10 des Protokolls über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordantlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere vom 28. August 1952 (BGBl. II 1969, S. 2000 ff.; im Folgenden: Pariser Protokoll) Rechtspersönlichkeit besitzt. Der Kläger kündigte sein Beschäftigungsverhältnis durch Eigenkündigung vom 02. Mai 2012 zum 31. Juli 2012. Seit Eintritt in den Ruhestand bezieht der Kläger eine NATO-Rente (NATO-Pension) nach Kapitel XV der vom Nato-Rat festgelegten Beschäftigungsbedingungen für das internationale Personal, der North Atlantik Treaty Organization Civilian Personnel Regulations (im Folgenden: NCPR).
Der Kläger wurde mit - vom Kläger für rechtswidrig erachtetem - Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. November 2013 Az. - XXXXX - wegen landesverräterischer Ausspähung zu einer Gesamtfreiheitsstraße von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Klägers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23. Oktober 2014 verworfen, eine vom Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde und eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb ohne Erfolg.
Am 04. Februar 2015 leitete das HQ AIRCOM wegen der Handlungen des Klägers, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, ein Disziplinarverfahren ein. Mit Schreiben vom 08. März 2016 (Bl. 57 ff. d. A.) empfahl das (interne) zivile Disziplinargremium der NATO (Civilian Disciplinary Board), die Grundrente des Klägers dauerhaft um 60 % zu kürzen, da er gegen Art. 12 und 13 NCPR verstoßen habe. Der zuständige militärstrategisch verantwortliche Oberbefehlshaber der NATO, der Supreme Allied Commander Europe (im Folgenden: SACEUR), billigte die Empfehlung mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 (Bl. 62 f. d. A.), erhöhte die vorgeschlagene Strafe jedoch um eine Kürzung der Grundrente des Klägers ab 01. November 2016 um 67 %. Nach einem verwaltungsinternen Widerspruchsverfahren gemäß Art. 61, 62 NCRP wendete sich der Kläger an das NATO Administrative Tribunal (AT) (vgl. Annex IX NCPR), welches am 21. November 2017 die Erhöhung der Kürzung durch den SACEUR von 60 % auf 67 % für rechtswidrig erklärte, so dass es bei einer Kürzung von 60 % verblieb. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens lehnte das NATO Administrative Tribunal mit Beschluss vom 26. März 2018 ab. Die NATO-Rente des Klägers wurde von November 2016 bis November 2017 um 67 %, ab Dezember 2017 um 60 % gekürzt.
Der Kläger hat am 03. De...