Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenverschulden. gefährliche Sportart. Forderung
Leitsatz (amtlich)
Eine besonders gefährliche Sportart wird nur dann ausgeübt, wenn die mit der Sportart verbundenen Risiken unbeherrschbar sind. Zur Feststellung dieser Risiken sind Erhebungen über die Unfallhäufigkeit nicht geeignet. Maßgebend ist allein die Frage der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers, diese Sportart auszuüben.
Nur wenn er seine persönlichen Fähigkeiten überschätzt, kommt ein Eigenverschulden in Betracht.
Allein die Teilnahme an der Deutschen Motorradrennsportmeisterschaft begründet kein die Entgeltfortzahlung ausschließendes Verschulden. Für einen erfolgreichen Teilnehmer (9. der Saison) ist die Ausübung dieser Sportart nicht besonders gefährlich.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Urteil vom 20.05.1998; Aktenzeichen 4 Ca 2383/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.05.1998 – 4 Ca 2383/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Im vorliegenden Klageverfahren verfolgt die Klägerin Ansprüche aus übergegangenem Recht auf Leistungen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der bei der Klägerin für den Fall der Krankheit versicherte Arbeitnehmer der Beklagten, G., ist bei dieser als Werkzeugmacher beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 20.01.1997 haben die Parteien aufgrund der bei Abschluss des Vertrages bestehenden Kenntnis über die Teilnahme des Arbeitnehmers an Motorradsportveranstaltungen vereinbart, dass im Falle einer Arbeitsunfähigkeit, die aufgrund des in der Freizeit ausgeübten Rennsportes entsteht, für die Beklagte keinerlei Verpflichtung zur Lohnfortzahlung bestehe.
Der Arbeitnehmer G. zog sich eine Handverletzung am 19.09.1997 zu. Der Unfall ereignete sich bei einem Training zu einem Motorradrennen in Frohburg, einem Rennen zur Deutschen Motorradmeisterschaft der 750er Supersportklasse.
Ausweislich eines Berichts im Trierischen Volksfreund vom 12.11.1997 fuhr der Kläger in der Saison 1997 in dieser Klasse auf den 9. Platz der Meisterschaft.
Das vom Kläger gefahrene Motorrad war eine Suzuki GSXR der 750er Serie mit einer Motorleistung von 142 PS; die mit diesem Motorrad zu erreichende Höchstgeschwindigkeit beträgt 270 km pro Stunde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Unfall ereignete, als der Kläger zu viel Gas gab, die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und dann stürzte. Die Parteien streiten hinsichtlich der Modalitäten dieses Unfallereignisses nur noch um die Frage, ob dies ausgangs einer Kurve so wie die Klägerin vorträgt oder zu Beginn des Trainings, so wie die Beklagte vorträgt, geschah.
Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass infolge dieses Unfalls später Arbeitsunfähigkeit eintrat vom 07.10.1997 bis 02.11.1997 und vom 16.12.1997 bis 19.08.1998. Die Klägerin erbrachte während der vorgenannten Zeiten insgesamt an den Arbeitnehmer G. Krankengeldleistungen in Höhe von 2.481,18 DM, welche sie mit der vorliegenden Klage verfolgt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, da der Arbeitnehmer G. als erfolgreicher und erfahrener Motorradsportler anzusehen sei, müsse ihm zugebilligt werden, dass er seinen Sport im vernünftigen Rahmen unter Beachtung der sportlichen Regeln betreibe und bei der Ausübung seines Rennsports seine Leistungsfähigkeit nicht übersteige. Eine selbstverschuldete Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes liege daher nicht vor. Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag sei gemäß § 12 EFZG unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.481,18 DM zuzüglich 4% Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, beim Motorradrennen zur Deutschen Meisterschaft, an der Herr G. teilnehme, handele es sich um eine gefährliche Sportart. Allein schon wegen der von den Motorrädern zu erreichenden Geschwindigkeit erfordere die Teilnahme an einem Deutschen Meisterschaftsrennen erheblichen körperlichen Einsatz, die Motorräder müssten auch in schwierigen Situationen voll beherrscht werden. Dies gelte umsomehr, als aufgrund der oben genannten Spitzengeschwindigkeiten enorme Zentrifugalkräfte entwickelt würden, die nur dann kalkulierbar seien, wenn die Geschwindigkeit genau dosiert und richtig eingeschätzt werde. Die Ausübung dieser Sportart sei regelmäßig mit einer hohen Verletzungsgefahr verbunden. Die Gefährlichkeit ergebe sich auch daraus, dass der Fahrer bei einem Unfall unmittelbar mit seinem Körper der Straße bzw. dem Rennumfeld ausgesetzt sei. Deshalb sei auch besondere Sicherheitskleidung zwingend vorgeschrieben. Herr G. habe sich im Rahmen seiner bisherigen 5-jährigen Teilnahme an Motorradrennen nicht nur das Sattelgelenk des rechten Daumens aufgesprengt (die hier im Streit stehende Erkrankung) sondern darüberhinaus bei weiteren Unfällen neben Bagatellverletzungen die Hand sowie das Schlüsselbein gebrochen. Das gleiche gelte auch für seine Rennkollegen. Ein Indiz für die besondere Gefährlichkeit ...