Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eine Arbeitsvertrages mit rückwirkender Kraft (ex-tunc-Wirkung). Anfechtung. rückwirkende Nichtigkeit. Vergütung
Leitsatz (amtlich)
Die wirksame Anfechtung des Arbeitgebers wegen arglistiger Täuschung wirkt zurück, wenn der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Ausfallzeiten keine Arbeitsleistung erbracht hat (Abweichung von den Entscheidungen des BAG vom 16.09.1982 – 2 AZR 228/80 – und vom 20.02.1986 – 2 AZR 244/85 – AP Nr. 24 und 31 zu § 123 BGB). Für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, ergeben sich keine Rückabwicklungsprobleme, wenn die Anfechtung auf den Zeitpunkt der Arbeitseinstellung zurückwirkt.
Normenkette
BGB §§ 123, 142 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 02.01.1997; Aktenzeichen 5 Ca 2056/96) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 2. Januar 1997 – 5 Ca 2056/96 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 18. Okt. 1993 bis zum 29. Okt. 1993 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 1.708,– DM zu gewähren.
Der Kläger war ab 25. Aug. 1993 im Malerbetrieb der Beklagten als Verputzer zu einem Stundenlohn von 21,35 DM beschäftigt. Der 1951 geborene Kläger ist seit 1980 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 anerkannt. Im Einstellungsgespräch beantwortete der Kläger die ausdrückliche Frage des Zeugen Hans Becker nach der Schwerbehinderteneigenschaft wahrheitswidrig mit „nein”. In der Zeit vom 18. Okt. 1993 bis zum 29. Okt. 1993 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 29. Okt. 1993 offenbarte er seine Schwerbehinderteneigenschaft und erklärte der Beklagten, die Arbeit sei ihm zu schwer. Seit diesem Tag hat der Kläger nicht mehr für die Beklagte gearbeitet.
Die verlangte Lohnfortzahlung lehnte die Beklagte am 26. Nov. 1993 (vgl. Bl. 4 d.A.) mit der Begründung ab, der Kläger habe sich das Arbeitsverhältnis erschlichen. Mit Schreiben vom 21. März 1994 (vgl. Bl. 12/13 d.A.) hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten vorsorglich „nochmals” das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung angefochten, nachdem der Kläger mit am 11. Jan. 1994 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht hatte. Im Sommer 1994 zahlte die Krankenkasse an den Kläger eine Abschlagszahlung auf das Krankengeld in Höhe von 500,– DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.708,– DM brutto abzüglich 500,– DM netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat die Klage mit Urteil vom 2. Jan. 1997 – 5 Ca 2056/96 – abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger könne keine Lohnfortzahlung verlangen, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis wirksam angefochten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 139–147 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das ihm am 16. Jan. 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 14. Febr. 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 12. März 1997 begründet.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt gewesen, weil seine Körperbehinderung keine Auswirkungen auf die zu erbringende Arbeitsleistung als Verputzer gehabt habe. Seine Arbeitsunfähigkeit habe im übrigen nicht auf seiner Behinderung beruht. Schließlich habe das Arbeitsgericht verkannt, daß ein bereits begonnenes Arbeitsverhältnis nur mit Wirkung für die Zukunft angefochten werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 2. Jan. 1997 – 5 Ca 2056/96 – aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.708,– DM brutto abzüglich 500,– DM netto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist somit zulässig.
II.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der Kläger kann für den Zeitraum vom 18. Okt. 1993 bis zum 29. Okt. 1993 keine Lohnfortzahlung verlangen, weil die wirksame Anfechtung der Beklagten das Arbeitsverhältnis rückwirkend mit Ablauf des 17. Okt. 1993 beendet hat.
1.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten (§ 123 BGB).
Der Kläger hat im Einstellungsgespräch die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft falsch beantwortet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht,...