Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf das “Tarifgehalt„ einer bestimmten Tarifgruppe in Abhängigkeit von der Geltungsdauer der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das "Tarifgehalt" einer bestimmten Tarifgruppe eines Gehalts- und Lohntarifvertrages als zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweils geltende Vergütungsregelung des Tarifvertrages steht nicht entgegen, dass die Vergütungsregelungen des Tarifvertrages zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages auch kraft Allgemeinverbindlicherklärung galten.

2. Will der Arbeitgeber die Geltungsdauer der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf eine tarifliche Vergütungsregelung von der Geltungsdauer der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages abhängig machen, so ist er gehalten, dies in dem Arbeitsvertrag klarzustellen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 305c Abs. 2, § 611 Abs. 1; TVG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Neunkirchen (Entscheidung vom 09.09.2014; Aktenzeichen 1 Ca 303/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.10.2017; Aktenzeichen 4 AZR 375/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. September 2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen (1 Ca 303/14) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte, die G. GmbH & Co KG in H., verpflichtet ist, an den Kläger eine tarifliche Lohnerhöhung weiterzugeben, die zum 1. Juli 2013 von den Parteien der Tarifverträge für den Einzelhandel im Saarland vereinbart wurde.

Der 1968 geborene Kläger ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten in deren Betriebsstätte in H., wo die Beklagte einen Einkaufsmarkt betreibt, beschäftigt. Eingestellt wurde der Kläger als Verkäufer, und zwar aufgrund des Arbeitsvertrages vom 23. März 1992 (Blatt 53 bis 56 der Akten). In dem Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:

"§ 2 Arbeitszeit / Mehrarbeit

Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach den geltenden tariflichen Bestimmungen und beträgt derzeit 189,75 Stunden monatlich.

...

§ 3 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Arbeitsvergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:

Tariflohn/-gehalt in Tarifgruppe K II b 5. Bj.

DM 2.770,58

55 % für 5,5 Std. DLA

DM 44,17

25 % für 17,25 Mehrstunden

DM 62.96

insgesamt brutto

DM 2.877,71

Der Mitarbeiter versichert, dass er im 5. Berufsjahr steht, wobei die Ausbildungsjahre nicht mitgezählt werden.

...

Freiwillige Zulagen einschließlich freiwilliger übertariflicher Zulagen sowie Sonderzulagen jedweder Art sind jederzeit frei widerruflich. Ein Rechtsanspruch auf solche Leistungen besteht auch bei wiederholter Zahlung nicht. Freiwillige übertarifliche Zulagen können bei Änderung der Tarifbezüge auf die tarifliche Erhöhung angerechnet werden.

§ 4 Urlaub

Der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters folgt den jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen.

§ 5 Kündigung

Das Arbeitsverhältnis kann ab dem 7. Beschäftigungsmonat beiderseitig mit einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende gekündigt werden.

Soweit der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Vorschriften nur mit einer längeren Kündigungsfrist kündigen darf, gilt die verlängerte Kündigungsfrist auch für eine Kündigung seitens des Mitarbeiters."

Derzeit wird der Kläger aufgrund einer mit Wirkung zum 1. April 2011 mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung als Mitarbeiter an der Waschstraße beschäftigt.

Der ab dem 1. April 1992 geltende Gehalts- und Lohntarifvertrag für den saarländischen Einzelhandel war zu dem Zeitpunkt, als das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begann, allgemeinverbindlich. Gleiches gilt für die entsprechenden Nachfolgetarifverträge. Die Allgemeinverbindlichkeit des letzten, ab dem 1. April 1999 geltenden Gehalts- und Lohntarifvertrages für den saarländischen Einzelhandel trat mit Wirkung zum Ablauf des 31. März 2000 außer Kraft. Die zeitlich nachfolgenden Gehalts- und Lohntarifverträge für den saarländischen Einzelhandel waren nicht mehr allgemeinverbindlich. Den Arbeitslohn des Klägers hat die Beklagte von Beginn des Arbeitsverhältnisses an und über den Zeitpunkt der Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit des Gehalts- und Lohntarifvertrages für den saarländischen Einzel-handel hinaus bis zum 30. Juni 2013 jeweils entsprechend der tariflichen Erhöhung der Vergütungen aufgrund der Gehalts- und Lohntarifverträge für den saarländischen Einzelhandel angepasst. Dabei wurde in den Entgeltabrechnungen die für den Kläger maßgebliche tarifliche Vergütungsgruppe angeführt. Die mit Wirkung zum 1. Juli 2013 vereinbarte Erhöhung der tariflichen Löhne im saarländischen Einzelhandel wurde von der Beklagten hingegen - nicht nur gegenüber dem Kläger, sondern auch gegenüber ihren anderen Arbeitnehmern - nicht mehr umgesetzt. Bis zum 30. Juni 2013 erhielt der Kläger eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.976 EUR. Die monatliche tarifliche Vergütung für einen Arbeitnehmer mit der Tätigkei...

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