Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbandsaustritt. Kündigungsfrist für den Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
Die Formulierung in einem Kündigungsschreiben eines Arbeitgeberverbandsmitglieds „Hiermit kündigen wir die Mitgliedschaft … zum nächstmöglichen Termin” ist i.d.R als eine satzungsgemäße Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband auszulegen.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 39 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Neunkirchen (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 3 Ca 1300/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am3. Dezember 2002 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen (4 Ca 1300/02) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger über die unter Ziffer 1 des Urteilstenors des Versäumnisurteils vom 22. Oktober 2002 zuerkannten Beträge zuzüglich Zinsen hinaus die Differenz zwischen
4 % Zinsen aus jeweils 48,06 EUR seit dem 15. September 2000, dem 15. Oktober 2000, dem 15. November 2000, dem 15. Dezember 2000 und dem 15. Januar 2001 und
5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz, und zwar aus 48,06 EUR brutto vom 15. September bis zum 14. Oktober 2000, aus 96,12 EUR brutto vom 15. Oktober bis zum 14. November 2000, aus 144,18 EUR brutto vom 15. November bis zum 14. Dezember 2000 und aus 192,24 EUR brutto vom 15. Dezember bis zum 31. Dezember 2000, und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 192,24 EUR brutto seit dem 1. Januar 2002
zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1988 bei der Beklagten, einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, als Facharbeiter beschäftigt. Unter Ziffer 1 Absatz 3 des Arbeitsvertrages vom 11. März 1988 (Blatt 4 ff der Akten) heißt es:
„Für das Arbeitsverhältnis gelten in ihrer jeweiligen Fassung die tariflichen Bestimmungen für die Arbeiter der chemischen Industrie im zuständigen Tarifgebiet, die Arbeits- und Betriebsordnung sowie die sonstigen Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Regelungen, soweit im folgenden nichts anderes vereinbart ist.”
Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Die Beklagte gehörte seit 1980 dem Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie Saarland e.V. an. Seit seiner Einstellung bei der Beklagten erhielt der Kläger eine Vergütung nach den zwischen diesen Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifverträgen. Mit einem neuen Tarifvertrag vom 15. Mai 2000 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Erhöhung der Löhne um 2,2 Prozent ab dem 1. August 2000 sowie eine weitere Erhöhung um 2 Prozent ab dem 1. August 2001. Bestandteil des Tarifvertrages sind Entgelttabellen, in denen die neuen Entgeltsätze für die jeweiligen Entgeltgruppen beziffert bezeichnet sind. Der neue Tarifvertrag sollte am 1. August 2000 in Kraft treten und erstmals zum 30. April 2002 gekündigt werden können.
Die tarifliche Lohnerhöhung zum 1. August 2000 gab die Beklagte nicht an den Kläger weiter. Sie begründete dies damit, dass sie aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sei. Ihre Mitgliedschaft in dem Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie Saarland e.V. hatte die Beklagte mit einem an den Arbeitgeberverband gerichteten Schreiben vom 25. Oktober 1999 (Blatt 87 der Akten) gekündigt, und zwar zum „nächstmöglichen Termin”. Mit dem Antwortschreiben vom 28. Oktober 1999 (Blatt 200 der Akten) bedauerte der Arbeitgeberverband die Kündigung der Beklagten und teilte weiter mit, der nächstmögliche Termin sei nach seiner Satzung der 31. Dezember 2000.
§ 5 Ziffer 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes (Blatt 10 der Akten) hat folgenden Wortlaut:
„Ein Mitglied kann nur zum Schluss eines Kalenderjahres aus dem Verband freiwillig ausscheiden. Die Kündigung muss bis zum 30. VI. durch eingeschriebenen Brief erfolgen.”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ab dem 1. August 2000 der erhöhte Tariflohn zustehe. Der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband sei erst zum 31. Dezember 2000 wirksam geworden. Der neue Tarifvertrag sei aber vorher geschlossen worden. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate August, September, Oktober, November und Dezember 2000 jeweils 94 DM (48,06 EUR) brutto zuzüglich 4% Zinsen aus jeweils 48,06 EUR seit dem 15. September 2000, dem 15. Oktober 2000, dem 15. November 2000, dem 15. Dezember 2000 und dem 15. Januar 2001 zu zahlen. Weiter hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Januar 2001 eine Vergütung in Höhe von monatlich 4.340 DM (2.219,01 EUR) brutto zu zahlen; auf diesen Betrag beläuft sich ab dem 1. August 2000 der Tariflohn nach der für den Kläger maßgeblichen Entgeltgruppe.
Nachdem in dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer für die Beklagte niemand erschienen war, hat das Arbeitsgericht die Beklagte mit einem Versäumnisurteil entsprechend den Anträgen des Klägers verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte Ein...