Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Abmahnungen. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Legt der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet vor, erscheint er zu spät zur Arbeit und meldet sich nicht sofort bei seinem Vorgesetzten, nachdem er zu spät zur Arbeit erschienen ist, liegen hierin gleichartige Pflichtverletzungen.
2. Für die Beurteilung der Frage, ob mehrere Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen können, kommt es nicht zwingend auf die bloße Anzahl der Abmahnungen an und auch nicht darauf, ob sich die Abmahnungen über eine bestimmte Zahl von Jahren erstrecken. Entscheidend ist, wie die Abmahnungen jeweils konkret gestaltet sind und welche sonstigen Begleitumstände noch zu berücksichtigen sind.
Normenkette
BGB §§ 1004, 242; EFZG § 5 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Saarbrücken (Urteil vom 26.08.2002; Aktenzeichen 4 Ca 861/02) |
Nachgehend
Tenor
1. … Die Berufung der Beklagten gegen das am26. August 2002 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken (4 Ca 861/02) wird zurückgewiesen.
2. … Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gerichtlich aufzulösen, wird zurückgewiesen.
3. … Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. … Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit September 1993 bei der Beklagten beschäftigt. Er hat bei der Beklagten seine Berufsausbildung absolviert und wurde danach als Facharbeiter übernommen.
Mit einem Schreiben der Beklagten vom 27. Mai 2000 (Bl. 12 d.A.) wurde der Kläger abgemahnt. Mit diesem Schreiben wurde beanstandet, dass der Kläger nicht spätestens am vierten Tag nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe. In dem Schreiben heißt es dann weiter:
„Wir weisen Sie mit allem Nachdruck darauf hin, dass durch diese wiederholte Pflichtverletzung der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses in hohem Maße gefährdet ist. Im Wiederholungsfall und bei ähnlichen Pflichtverstößen in Zukunft, werden wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kündigen.”
Mit diesem Schreiben verlangte die Beklagte außerdem, dass bei künftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten bereits am Tag nach dem Beginn der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werde.
Eine zweite Abmahnung erfolgte mit einem Schreiben der Beklagten vom 6. Februar 2001 (Bl. 13 ff. d.A.). Darin wird ausgeführt, dass der Kläger an zwei Tagen zu spät zur Arbeit gekommen sei, an dem einen Tag sei er erst um 6.14 Uhr zur Arbeit erschienen – die Frühschicht beginnt bei der Beklagten um 5.45 Uhr – und an dem anderen Tag erst um 13.47 Uhr – die Mittagsschicht beginnt um 13.45 Uhr. An dem ersten Tag habe sich der Kläger, so heißt es in dem Schreiben weiter, bei seinem Einrichter mündlich entschuldigt. An dem zweiten Tag habe er seinen Meister nicht informiert; von diesem auf die erneute Verspätung angesprochen, habe er geantwortet, es seien ja nur zwei Minuten gewesen. Dieses Verhalten sei ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht. Es sei die arbeitsvertragliche Pflicht des Klägers, den direkten Vorgesetzten über das verspätete Kommen und den Grund dafür zu informieren. Beanstandet wird in dem Schreiben des weiteren, dass der Kläger an zwei Tagen Zwischenwellen mit einem falschen Durchmesser gebohrt habe; nur mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand hätten die Teile nachgearbeitet werden können. Auch in diesem Schreiben heißt es dann, ähnlich wie in dem Schreiben vom 27. Mai 2000, weiter:
„Wir weisen Sie mit allem Nachdruck darauf hin, dass durch diese wiederholte Pflichtverletzung der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses in hohem Maße gefährdet ist. Wir werden im Wiederholungsfall oder bei ähnlichen Pflichtverstößen in Zukunft, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kündigen.”
Zu einer dritten Abmahnung kam es am 10. Juli 2001. In dem Abmahnungsschreiben (Bl. 15 ff. d.A.) wird dem Kläger vorgehalten, dass er am 9. Juli 2001 erst um 5.49 Uhr, am 21. Juni 2001 erst um 5.46 Uhr und am 15. Juni 2001 erst um 14.01 zur Arbeit gekommen sei. Bereits mit der Abmahnung vom 6. Februar 2001 sei sein verspätetes Kommen moniert worden und er sei aufgefordert worden, künftig pünktlich zur Arbeit zu erscheinen; sein Verhalten sei ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Er werde nochmals aufgefordert, zukünftig pünktlich zu Schichtbeginn die Arbeit aufzunehmen, da die pünktliche Schichtübergabe zur Gewährleistung eines reibungslosen Produktionsablaufs absolut erforderlich sei. In dem Schreiben wird außerdem beanstandet, dass der Kläger Buchungen – im Zeiterfassungssystem für Beginn und Ende der Arbeit – vergesse. Schließlich heißt es in dem Schreiben, wie bereits in dem Schreiben vom 6. Februar 2001, erneut:
„Wir weisen Sie mit allem Nachdruck darauf hin, dass durch diese wiederholte Pflichtverletzung der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses in hohem Maße gefährdet ist...