Entscheidungsstichwort (Thema)
"Beabsichtigte" Rechtsverfolgung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Frühestmöglicher Entscheidungszeitpunkt über die Prozesskostenhilfe. Keine Hinweispflicht des Gerichts auf fehlende Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Prozesskostenhilfe kann nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach Beendigung des Rechtsstreits, z.B. durch einen unwiderruflichen Vergleich, wird die Rechtsverfolgung nicht mehr beabsichtigt.
2. Über die Prozesskostenhilfe kann frühestens dann entschieden werden, wenn dem Gericht neben dem Antrag auch die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege vorliegen.
3. Das Gericht ist weder nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO noch nach § 139 ZPO verpflichtet, den anwaltlich vertretenen Kläger auf das Fehlen erforderlicher Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag hinzuweisen.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1, § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 S. 4, § 139
Verfahrensgang
ArbG Halle (Entscheidung vom 17.09.2021; Aktenzeichen 1 Ca 1051/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 17.09.2021 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.10.2021 - 1 Ca 1051/21 (PKH) - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Kanzlei ... und Partner für ein Bestandsschutzverfahren. Mit der Klageschrift vom 26.07.2021 hat die Klägerin u. a. beantragt, ihr Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu bewilligen. Eine Erklärung der Klägerin über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde nicht eingereicht.
In der Güteverhandlung vom 19.08.2021 schlossen die Parteien einen unwiderruflichen Vergleich.
Mit Schriftsatz vom 16.09.2021, beim Arbeitsgericht am 16.09.2021 eingegangen, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe übersandt. Der Erklärung wurden keine Belege oder weitere Anlagen beigefügt.
Mit Beschluss vom 17.09.2021 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Kanzlei ... und Partner zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe erst nach Beendigung des Rechtsstreits einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt (Wegen den Gründen des Beschlusses des Arbeitsgerichts Halle vom 17.09.2021 wird auf Blatt 8, 9 des Beiheftes Prozesskostenhilfe verwiesen). Der Beschluss ist den Klägerinvertretern am 23.09.2021 zugestellt worden. Mit der am 22.10.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die die Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 17.09.2021. Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht hätte die Klägerin zwar nicht unverzüglich, aber so rechtzeitig unter Fristsetzung auf die Mängel des PKH-Gesuchs hinweisen müssen, damit die Mängel vor der möglichen Instanz oder Verfahrensbeendigung behoben hätten werden können. Mit der sofortigen Beschwerde hat die Klägerin auch Belege bezüglich ihrer Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.
Mit Beschluss vom 26.10.2021 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und das Verfahren zur Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt vorgelegt. Am 19.08.2021 habe kein nachbesserungsfähiger Antrag, sondern ein unvollständiger Antrag vorgelegen. Zudem sei die am 16.09.2021 eingereichte Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse unvollständig gewesen, da keine entsprechenden Belege vorgelegt wurden. Mit Verfügung vom 08.11.2021 hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme zu der Beschwerde vom 22.10.2021 unter Berücksichtigung der Nichtabhilfeentscheidung vom 26.10.2021 gegeben. Mit Schriftsatz vom 02.12.2021 hat die Klägerin weiterhin die Ansicht vertreten, dass die Unterscheidung des Arbeitsgerichts zwischen nachbesserungsfähigem und unvollständigem Antrag nicht aus den gesetzlichen Grundlagen hervorgehe. Das Arbeitsgericht wäre verpflichtet gewesen, der Klägerin rechtzeitig einen entsprechenden Hinweis betreffend der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben.
Mit Verfügung vom 17.12.2021 hat die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen. Die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hält die sofortige Beschwerde für unbegründet und verweist hierbei auf eine entsprechende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.07.2017 (9 AZB 32/17). Zudem wäre für den Fall, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr die Rechtsanwälte ... und Partner beigeordnet werden sollten, eine monatliche Rate in Höhe von mi...