Verfahrensgang
ArbG Naumburg (Beschluss vom 22.10.1998; Aktenzeichen 3 Ca 3880/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird derBeschluss desArbeitsgerichts Naumburg vom22. Oktober 1998 in Hinblick auf die Beklagte zu 2) – jetzige Beklagte – abgeändert.
Insoweit wird der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Halle(Saale) verwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Klägerin begehrt u. a. von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter Bilanzfälschung.
Die am … geborene Beklagte war seit 1971 bei dem … beschäftigt und seit Gründung der Betriebskrankenkasse … dort als alleinige Vorstandsvorsitzende tätig. Aufgrund des Zusammenschlusses der … mit der Klägerin war die Beklagte seit dem 1. Januar 1998 bei der Klägerin als Regionalleiterin Ost beschäftigt.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch Kündigungsschreiben vom 7. April 1998 wegen Bilanzmanipulation der Beklagten als Vorstandsvorsitzende … Die Bilanz für 1995 habe Verbindlichkeiten in Höhe von DM 5,81 Millionen fehlerhaft nicht erfasst. Gegen diese Kündigung erhob die Beklagte Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vor dem Arbeitsgericht Naumburg. Mit Urteil vom 30. Juli 1998 wies das Arbeitsgericht Naumburg die Kündigungsschutzklage ab.
Noch während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens beantragte die Klägerin u. a. den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte zwecks Zahlung von DM 500.000,00 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig, da sie im Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Bilanzfälschung nicht Arbeitnehmerin, sondern als Vorstandsvorsitzende der … Organ der juristischen Person gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für das Schadensersatzverfahren gegen die Beklagte und eine weitere ehemalige Arbeitnehmerin der … für eröffnet erklärt. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten, die um Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht bittet.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht entscheidet über die – fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG in entsprechender Anwendung von § 53 ArbGG durch den Vorsitzenden allein (BAG, Beschluss vom 10. Dezember 1992 – 8 AZB 6/92 – NZA 1993, 619).
2. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Vorliegend sind nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erweiterte Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 3 ArbGG erfüllt.
Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend einen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang der Schadensersatzforderung der Klägerin mit dem Kündigungsschutzverfahren der Beklagten bejaht, dabei aber übersehen, dass für Angelegenheiten der Sozialversicherung eine besondere gesetzliche Zuständigkeit der Sozialgerichte nach § 51 SGG besteht. Die Sozialgerichte sind danach umfassend zuständig für Streitigkeiten, die ihre materiell-rechtliche Grundlage im Sozialversicherungsrecht haben (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 51 Rz. 23).
Nach § 42 Abs. 2 SGB IV haften die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane für Schäden, die dem Versicherungsträger aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten entstehen. Für diesbezügliche Streitigkeiten ist nach § 51 Abs. 1 SGG ausschließlich der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rz 24, Stichwort „SchadensersatzansprücheZ). Damit kommt eine erweiterte Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 3 ArbGG vorliegend nicht in Betracht.
Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG wegen möglicher unerlaubter Handlung der Beklagten scheidet von vornherein aus, da es sich im vorliegenden Verfahren nicht um eine bürgerliche Streitigkeit handelt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Streitgegenstand ist eine Schadensersatzforderung auf der Grundlage von § 42 Abs. 2 SGB IV.
Der Rechtsstreit war danach an das Sozialgericht Halle zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Beschwerdestreitwert richtet sich nach dem Wert der Hauptsache.
Für die Zulassung der weiteren Beschwerde ist kein Grund ersichtlich, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 S. 4 u. 5 GVG. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 17 a Abs. 4 GVG).
Fundstellen
Haufe-Index 928839 |
NZS 1999, 472 |
SGb 2000, 81 |
SozSi 1999, 295 |