Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Beschluss vom 23.03.1995; Aktenzeichen 4 Ca 5276/94)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 23.3.1995 – 4 Ca 5276/94 abgeändert.

Die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Magdeburg wird aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist zulässig.

 

Tatbestand

I. Der Kläger ist gem. „Mitarbeitervertrag” vom 14.11.1990/15.3.1991 bis zum 31.3.1993 bei der Beklagten als „selbständiger Handelsvertreter im Nebenberuf i. S. der §§ 84 ff, 92 und 92 b HGB i.V.m. § 43 VVG” (Ziff. 2.1. des Vertrages) beschäftigt gewesen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von 33.204,– DM nebst Zinsen mit der Begründung, er sei tatsächlich Arbeitnehmer der Beklagten; als solcher habe er einen Lohnanspruch, den er auf der Grundlage des „Tarifvertrages Handel, Banken und Versicherungen” berechne.

Die Beklagte hält den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für gegeben.

 

Entscheidungsgründe

II. Mit Beschluß vom 23.3.1995 hat das Arbeitsgericht Magdeburg den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Magdeburg verwiesen.

Gegen diesen, ihm am 29. März 1995 zugestellten Beschluß hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.3.1995, bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen am 3. April 1995, sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung. Arbeitnehmer der Beklagten zu sein.

III. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Im vorliegenden Fall ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts ist dementsprechend abzuändern.

1. Entgegen der Ansicht Kissels (NZA 1995, 345, 350) ist der Beschluß des Arbeitsgerichts nicht lediglich aufzuheben, weil im Falle der Rüge einer Partei, wie vorliegend, über die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluß zu entscheiden ist. Ein bloße Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses führte jedoch zum Wegfall jeglicher Entscheidung über die Rechtswegfrage.

2. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist hier gegeben, weil der Kläger einen Anspruch geltend macht, den er nur auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, „aus” einem Arbeitsverhältnis geltend machen kann. Liegt kein Arbeitsverhältnis vor, ist der Kläger deshalb auch kein Arbeitnehmer, so entfällt zugleich der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitsvergütung. Mit der Entscheidung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit steht und fällt somit die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs, so daß die Arbeitsgerichte dazu berufen sind, das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs festzustellen.

3. Diese Entscheidung steht auch nicht im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach vor einer Sachentscheidung grundsätzlich zu klären ist, ob der jeweilige Kläger tatsächlich Arbeitnehmer (oder gegebenenfalls Arbeitgeber) ist und er deshalb Ansprüche „aus einem Arbeitsverhältnis” geltend macht (BAG 30.8.1993 – 2 AZB 6/93 – AP Nr. 6 zu § 17 a GVG = NZA 1994, 141; 28.10.1993 – 2 AZB 12/93 – AP Nr. 19 zu § 2 ArbGG 1979 = NZA 1994, 234). Unerheblich ist vorliegend auch die Streitfrage, ob die Rechtswegfrage allein auf der Grundlage des Klagevorbringens oder aber im Bestreitensfalle nach einer Beweisaufnahme zu klären ist (letzteres entspricht der Auffassung des BAG). Denn eine solche Vorab-Prüfung kommt auch nach der Rechtsprechung des BAG nur in Betracht, wenn auch eine Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Rechtswegs – etwa der ordentlichen Gerichte – in Betracht kommt. Der Kläger muß also einen Anspruch geltend machen, der jedenfalls auch unter nichtarbeitsrechtlichen Gesichtspunkten – etwa zivil, verwaltungs- oder sozialrechtlichen Gesichtspunkten – begründet sein könnte. So kann etwa eine außerordentliche Kündigung auch eines Nicht-Arbeitnehmers, etwa eines selbständigen Handelsvertreters, nach § 626 BGB nur aus wichtigem Grund erfolgen (BAG 28.10.1993, a.a.O.; Arbeitsgericht Bayreuth, Beschluß vom 14.2.1993 – 2 Ca 1028/92 H; n.v.). Verlangt der Kläger die vertraglich vereinbarte Provision, so kann dies ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, aber auch ein solcher aus einem freien Handelsvertreter-Verhältnis (vgl. LAG Köln, Beschluß v. 18.7.1994 – 11 Ta 114/94, n.v.). In diesen Fällen kann und muß das ordentliche Gericht prüfen, ob dem jeweiligen Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf zivilrechtlicher Grundlage zustehen, wenn das Arbeitsgericht zuvor das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verneint und den Rechtsstreit an das ordentliche Gericht verwiesen hat. Kommt für den geltend gemachten Anspruch aber nur eine arbeitsrechtliche Grundlage in Betracht, wie das vorliegend der Fall ist, so hat das Arbeitsgericht in der Sache zu entscheiden, die Klage also sachlich abzuweisen, wenn ein Arbeitsverhältnis als notwendige Grundlage der geltend gemachten Ansprüche nicht besteht.

III. Gegen diese Entscheidun...

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