Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an einen Beschwerdeschriftsatz. Beauftragung eines Rechtsanwalts nach Einlegung eines Rechtsmittels durch den Prozessgegner. Entstehen einer Rechtsanwaltsgebühr in der Rechtsmittelinstanz. Glaubhaftmachung des Tätigwerdens eines Rechtsanwalts für die Festsetzung des Kostenansatzes durch das Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wegen der geringeren Formstrenge des Beschwerdeverfahrens muss ein Schriftsatz, der als Beschwerde gewertet werden soll, zwar die Bezeichnung als Beschwerde nicht ausdrücklich enthalten (Anschluss an BGH 23. Oktober 2002 - IX ZB 369/02). Er muss jedoch zumindest den Willen klar erkennen lassen, die Entscheidung möge durch die höhere Instanz sachlich geprüft werden (LAG Rheinland-Pfalz 18. Oktober 2021 - 3 Ta 169/12). Daran fehlt es in der Regel, wenn der "Beschwerdeführer" noch keine Kenntnis von der Entscheidung hat und sich ausdrücklich gegen die "beabsichtigte" Kostenfestsetzung wendet.

2. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts in der Rechtsmittelinstanz ist dann notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn eine verständige, wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme zum Zeitpunkt der Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BAG 18. April 2012 - 3 AZB 22/11, Rn. 10). Das ist dann der Fall, wenn sie als Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf. Im Normalfall bedeutet dies, dass der Rechtsmittelgegner einen Prozessbevollmächtigten bereits dann einschalten darf, wenn ein Rechtsmittel eingelegt ist (BAG 14. November 2007 - 3 AZB 36/07; BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02).

3. Das Tätigwerden in der Rechtsmittelinstanz erfordert kein nach außen erkennbares Tätigwerden, wie das Stellen eines Antrags oder die Vorlage einer (Beschwerde-)Erwiderung. Der Rechtsanwalt hat die Gebühr verdient, wenn er Informationen entgegen nimmt oder mit seinem Mandanten bespricht, wie er auf das von der Gegenseite eingelegte Rechtsmittel reagieren soll. Auch die interne Prüfung, ob ein Mandant sich gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren soll, lässt die Verfahrensgebühr entstehen (BGH 25. Oktober 2012 - IX ZB 62/10; LAG Köln 25. Februar 2016 - 4 Ta 31/16).

4. Im Verfahren nach den §§ 103 ff ZPO ist es nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der Gebühren maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebungen aus der Gerichtsakte ergeben oder unstreitig sind. Gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Zur Glaubhaftmachung können gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet und vom Rechtspfleger verlangt werden (vgl. BGH 27. Februar 2007 - XI ZB 39/05). Die in § 294 Abs. 2 ZPO enthaltene Beschränkung auf präsente Nachweismittel gilt nicht in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern wie im Fall des § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO lediglich genügen lässt. Weitere Voraussetzungen für den Nachweis der den Kostenansatz rechtfertigenden Umstände sind nicht vorgesehen BGH 04. April 2007 - III ZB 79/06). Die Entscheidung darüber, ob eine Tatsache glaubhaft gemacht ist oder nicht, ist ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis (BGH 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06). Die anwaltliche Versicherung ist grundsätzlich ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 104 Abs. 2 S. 1, § 294

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Entscheidung vom 19.01.2021; Aktenzeichen 7 Ca 2838/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 06. April 2020 - 7 Ca 2838/16 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 19. Januar 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts.

Sie begehrte von dem Beklagten die Zahlung von Sonderbeiträgen in Höhe bestimmter Prozentsätze der Vergütungen aus der Wahrnehmung von Aufsichtsrats- und ähnlichen Tätigkeiten. Der Beklagte hielt den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat daraufhin den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Halle verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2019 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren äußerte sich der Beklagte nicht. Das Bundesarbeitsgericht wies die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 20. November 2019, in dem der Beklagte u.a. als Rechtsbeschwerdegegner und sein Prozessbevollmächtigter als "Prozessbevollmächtigter II. Instanz" bezeichnet sind, auf Kosten der Klägerin zurück. Die...

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