Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmangel im zweitinstanzlichen Rechtswegbestimmungsverfahren und Zurückverweisung an das Arbeitsgericht. Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit. Zuständigkeit der Zivilgerichte für vereinsrechtliche und satzungsrechtliche Streitigkeiten. Abgrenzung zwischen Tätigkeit aus dem Arbeitsverhältnis und Aufgabenwahrnehmung in einem Aufsichtsgremium

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ergeht auf die sofortige Beschwerde im Rechtswegbestimmungsverfahren die Nichtabhilfeentscheidung rechtsfehlerhaft im Wege der Alleinentscheidung des Vorsitzenden, so führt dieser Verfahrensmangel bei anwaltlicher Vertretung der Parteien nur dann zur Zurückverweisung an das Arbeitsgericht, wenn die Parteien diesen Mangel ausdrücklich rügen oder ein objektiv willkürlicher Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters vorliegt.

2. Für die sich aus der Abführungsverpflichtung für Aufsichtsratstantiemen gemäß Gewerkschaftsatzung gegenüber hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären ergebenden Ansprüche der Gewerkschaft ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben. Die Zuständigkeit ergibt sich weder aus § 2 Abs. 1 Nr. 3a noch 4 a ArbGG. Es handelt sich nicht um Ansprüche aus dem mit der Gewerkschaft bestehenden Arbeitsverhältnis, da sie sich weder als Hauptleistungs- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag ergeben (vgl. BAG 21. Mai 2015 - 8 AZR 956/13, Rn. 19-22, 23-30). Auch handelt es sich nicht um Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Anspruch beruht nicht auf dem Arbeitsverhältnis und ist auch nicht durch dieses bedingt. Die Tätigkeiten gemäß dem Arbeitsvertrag stehen selbstständig und unabhängig neben der Aufgabe der Wahrnehmung der Tätigkeit in dem Aufsichtsrat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats nicht zu den arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben gehört und die hauptamtliche Tätigkeit nicht Voraussetzung für die Wahrnehmung des Mandats ist.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 3a, 4a, § 48 Abs. 1 Nr. 2; GVG §§ 13, 17a Abs. 4, § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1; GG Art. 101 S. 2; GenG § 38; VAG § 189 Abs. 3; AktG §§ 93, 116; ZPO §§ 21, 35

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Entscheidung vom 06.02.2018; Aktenzeichen 7 Ca 2838/16)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 06. Februar 2018 - 7 Ca 2838/16 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 29. März 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Verpflichtung des Beklagten zur Abführung von Vergütungen aus der Wahrnehmung von Aufsichtsratstätigkeiten bzw. vergleichbaren Aufsichtstätigkeiten.

Die Klägerin ist eine Gewerkschaft. Der Beklagte ist seit 1973 bei der D.-AG bzw. deren Rechtsvorgängern in Vollzeit als L. beschäftigt gewesen. Er ist Mitglied der Klägerin. Bei den Bezirksvorstandswahlen der Klägerin wurde er 1999 zum stellvertretenden Bezirksvorsitzenden des Bezirks Mitteldeutschland mit Sitz in Halle gewählt und in den jeweiligen Folgewahlen in diesem Wahlamt bestätigt.

Zum 1. Januar 2000 begründeten die Parteien ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden. Arbeitsaufgabe war die Tätigkeit als stellvertretender Bezirksvorsitzender, deren Einzelheiten sich aus der Geschäftsanweisung für den Bezirksvorstand ergaben. Dieses Arbeitsverhältnis war zweckbefristet auf die Dauer des Bestehens des vorgenannten Wahlamtes. Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wird auf die Anlage K7 (Bl. 54 bis 59 d. A.) verwiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 2014.

Auf den Vorschlag der Klägerin wurde der Beklagte Mitglied des Aufsichtsrates der Sparda Bank Berlin eingetragene Genossenschaft und Mitglied der Mitgliedervertretung des DEVK-Lebensversicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Die Klägerin schlägt für die Wahrnehmung von solchen Mandaten nicht ausschließlich solche Mitglieder vor, die auch bei ihr beschäftigt sind.

Aus diesen Tätigkeiten erzielte er in den Jahren 2013 und 2014 Vergütungen (Anlage K3, Bl. 15 f. d. A.).

§ 8 Abs. 3a der Satzung der Klägerin bestimmt:

"Mitglieder, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der ... ein Mandat in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien wahrnehmen und hierfür eine Vergütung erhalten, haben zusätzlich zu ihren Mitgliedsbeiträgen einen gesonderten Beitrag zu entrichten. Dieser Sonderbeitrag dient zur Unterstützung der für die ... aus diesen Mandaten entstehenden erweiterten Aufgaben. Die Höhe des Sonderbeitrags ergibt sich aus der dazu vom Hauptvorstand beschlossenen Sonderbeitragsordnung."

Wegen der Einzelheiten der Satzung (Stand 8. Mai 2012) und der Sonderbeitragsordnung (gültig ab 1. Juli 2012) wird auf die Anlagen K1 (Bl. 6 bis 13 d. A) und K2 (Auszug, Bl. 14 d. A.) Bezug genommen.

Die Kläg...

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