Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugniserteilungsanspruch. Titulierungsinteresse. Gegenstandswert

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Gegenstandswertbemessung für einen in einen Vergleich aufgenommenen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, ohne dass hierüber zwischen den Parteien bisher Streit geherrscht hat und ohne dass der konkrete Zeugnisinhalt Gegenstand des Vergleichs geworden ist, bemisst sich nach dem Titulierungsinteresse. Dieses ist mit 250 EUR ausreichend bemessen.

 

Normenkette

ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stendal (Beschluss vom 29.08.2005; Aktenzeichen 6 Ca 2086/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom29.08.2005 – 6 Ca 2086/04 – in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.09.2005 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien haben in der Hauptsache über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten gestritten und den Rechtsstreit durch einen dem Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO mitgeteilten Vergleich beendet. Dem Vergleich kommt der folgende Inhalt zu:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zum 31.03.2005 enden wird.
  2. Zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, 3 Nr. 9 EStG – unter Anrechnung der Abfindung nach dem Sozialplan vom 30.11.2004 (§§ 7, 10) – eine Abfindung in Höhe von … EUR brutto.
  3. Mit Ablauf des 31.01.2005 wird die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche freigestellt.
  4. Sollte die Klägerin vor dem 31.03.2005 einen anderen Arbeitsplatz finden, hat sie die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt zu beenden. Eine Beendigung ist drei Tage nach schriftlicher Mitteilung des Beendigungswunsches durch die Klägerin möglich.
  5. Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhöht sich die der Klägerin nach Punkt 2 dieses Vergleiches zustehende Abfindung um das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt gemäß § 7 des Sozialplanes, das ihr bis zum 31.03.2005 zustehen würde. Grundlage der Berechnung ist ein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt von … Euro.
  6. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes, dem beruflichen Fortkommen der Klägerin dienendes Zeugnis unter Berücksichtigung der tatsächlichen Tätigkeiten und der Aus- und Fortbildungen, die die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beklagten erhalten und ausgeübt hat.
  7. Mit Erfüllung des Vergleiches ist der benannte Rechtsstreit erledigt.

Der Klägervertreter hat sodann mit Schriftsatz vom 06.05.2005 Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt und dabei die Auffassung vertreten, die in Ziffer 6. des Vergleiches vereinbarte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sei mit einem Bruttomonatseinkommen der Klägerin, nämlich … EUR zu bewerten.

Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten abweichend von den Vorstellungen des Klägervertreters mit Beschluss vom 29.08.2005 (Bl. 45 – 51 d. A.) den Gegenstandswert für das Verfahren auf … sowie für den Vergleich auf … EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die in Ziffer 6. des Vergleiches getroffene Vereinbarung über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sei mit 250,– EUR zu bemessen. Die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sei zwischen den Parteien nie streitig gewesen. Das mithin allein zu bewertende Titulierungsinteresse der Klägerin sei mit 250,– EUR ausreichend bewertet. Weiter hat das Arbeitsgericht in dem benannten Beschluss die Beschwerde ausdrücklich zugelassen.

Gegen diesen, ihm am 07.09.2005 zugestellten Beschluss, hat der Klägervertreter am 14.09.2005 Beschwerde eingelegt, mit der er sich „insbesondere” gegen die Wertfestsetzung des in Ziffer 6. des Vergleiches enthaltenen Anspruches auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses wendet. Er vertritt weiter die Auffassung, der Anspruch sei mindestens in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes der Klägerin werterhöhend zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Bewertung übersehen, dass im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit der Klägerin dem Zeugnis für ihr weiteres berufliches Fortkommen eine besondere Bedeutung zukomme.

Das Arbeitsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 15.09.2005 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 29.08.2005 ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 1. HS RVG statthafte Rechtsmittel. Die Beschwerde ist wegen der Zulassung durch das Arbeitsgericht gemäß § 33 Abs. 3 S. 2 RVG ungeachtet des Beschwerdewertes zulässig. Der Klägervertreter hat mit seinem Beschwerdeschriftsatz auch die Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG gewahrt.

2. Die...

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