Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. PKH für getrennte Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig i. S. v. § 114 ZPO, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist.
2. Diese Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn ein neuer Prozess angestrengt wird, obwohl das gleiche Rechtsschutzziel auf kostengünstigere Weise im Wege der Klageerweiterung erreichbar gewesen wäre.
3. Eine Beschränkung der Mutwilligkeit auf die Mehrkosten der durch die neue eigenständige Kündigungsschutzklage ausgelösten Kosten findet nicht statt. Vielmehr ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich für den neuen Rechtsstreit voll umfänglich zu versagen.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
ArbG Stendal (Beschluss vom 13.08.2010; Aktenzeichen 2 Ca 716/10 (PKH)) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 09. 09. 2010 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 13. 08. 2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 21. 09. 2010 – 2 Ca 716/10 (PKH) – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt ratenfreie Prozesskostenhilfe auch für das Kündigungsschutzverfahren (2 Ca 716/10).
Mit der vorliegenden Klage – bei dem Arbeitsgericht Stendal am 11. 06. 2010 eingegangen – wendet sich die Beschwerdeführerin gegen eine fristlose Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses vom 28. 05. 2010. Für diese Klage begehrt sie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. aus M..
Die Parteien führen beim Arbeitsgericht Stendal zum Aktenzeichen 2 Ca 606/10 einen weiteren Rechtsstreit. Dort hat die Beschwerdeführerin mit der bereits am 20. 05. 2010 eingegangenen Klageschrift zunächst rückständiges Arbeitsgehalt ab Oktober 2009 bis März 2010 geltend gemacht. Mit zwei Klageerweiterungen begehrt sie dort darüber hinaus jeweils Lohnzahlungen für die weiteren Monate Mai und Juni 2010 (Bl. 30 und 49 in 2 Ca 606/10). Auch für die Zahlungsklage nebst der Klageerweiterung begehrt sie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F..
Durch Beschluss vom 13. 08. 2010 hat das Arbeitsgericht Stendal dem Antrag der Beschwerdeführerin in dem Verfahren 2 Ca 606/10 hinsichtlich der Prozesskostenhilfe voll entsprochen, vgl. Bl. 15 f. PKH-Heft in 2 Ca 606/10. In dem Parallelverfahren 2 Ca 606/10 (Zahlungsklage) erging am 06. 07. 2010 (vgl. Bl. 40 d. A. in 2 Ca 606/10) ein Teilversäumnisurteil für die Zahlungszeiträume von Oktober 2009 – Mai 2010. Über den Anspruch für Juni 2010 hat das Arbeitsgericht noch nicht entschieden.
In dem Kündigungsschutzverfahren – dem vorliegenden Verfahren zum Aktenzeichen des Arbeitsgerichts Stendal 2 Ca 716/10 – erging am 06. 07. 2010 ebenfalls ein Versäumnisurteil, mit dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin mit der Beklagten zu 1. und dem Beklagten zu 2. nicht durch die fristlose Kündigung vom 28. 05. 2010 aufgelöst wurde, vgl. Bl. 11 d. A.. Das Versäumnisurteil ist rechtskräftig; es wurde am 12.07. 2010 zugestellt, vgl. Bl. 16 und 17 d. A..
Mit Beschluss vom 13. 08. 2010 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Kündigungsschutzverfahren (2 Ca 716/10) zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass es mutwillig sei, die Kündigungsschutzklage in einem eigenständigen Verfahren zu verfolgen. Gründe, dass trotz Geltendmachung in getrennten Verfahren die Mehrkosten erstattungsfähig sind, seien nicht ersichtlich. Es sei kein Grund erkennbar, aus welchem die Beschwerdeführerin gehindert gewesen wäre, die vorliegende Kündigungsschutzklage als Klageerweiterung zu der bereits anhängigen Zahlungsklage 2 Ca 606/10 einzureichen. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit der vorliegenden fristlosen Kündigung in einem getrennten Verfahren sei bereits im Hinblick auf die entstehenden Rechtsanwaltskosten kostspieliger als eine Klageerweiterung im Verfahren 2 Ca 606/10. Eine nicht bedürftige Partei, die die Anwaltskosten aus ihrer eigenen Tasche zahlen müsste, hätte den Weg über getrennte Klagen nicht gewählt.
Dieser Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 13. 08. 2010, mit dem die Prozesskostenhilfe in dem Kündigungsschutzverfahren zurückgewiesen wurde, wurde der Beschwerdeführerin zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 17. 08. 2010 zugestellt.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 09. 09. 2010 sofortige Beschwerde ein. Die Beschwerdeführerin führt aus, dass, wenn sie ihrer Verpflichtung nachgekommen wäre, den kostengünstigeren von zwei möglichen Wegen zu wählen, in jedem Fall weitere Kosten in dem Verfahren 2 Ca 606/10 in Höhe von 120,08 EUR entstand...