Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. PKH für getrennte Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig i. S. v. § 114 ZPO, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist.
2. Diese Voraussetzungen sind i. d. R. dann gegeben, wenn ein neuer Prozess angestrengt wird, obwohl das gleiche Rechtsschutzziel auf kostengünstigere Weise im Wege der Klageerweiterung erreichbar gewesen wäre.
3. Eine Beschränkung der Mutwilligkeit auf die nicht notwendigen Mehrkosten findet nicht statt. Vielmehr ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich für den nachfolgenden Rechtsstreit vollumfänglich zu versagen.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
ArbG Stendal (Beschluss vom 29.10.2010; Aktenzeichen 2 Ca 802/10 (PKH)) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 15. 11. 2010 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 29. 10. 2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 24. 11. 2010 – 2 Ca 802/10 (PKH) – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für die erste Instanz.
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist eine Kündigungsschutzklage vom 01. 07. 2010 gegen eine fristlose Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28. 05. 2010.
Der Beschwerdeführer war seit dem 01. 04. 2010 als Inventurhelfer bei der Beklagten zu 1., deren geschäftsführende Gesellschafter die Beklagten zu 2. und zu 3. sind, zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.040,00 EUR beschäftigt.
Mit Schreiben vom 28. 05. 2010 – dem Beschwerdeführer am 23. 06. 2010 zugegangen – kündigte die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis, vertreten durch den Beklagten zu 2., fristlos. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen eines fristlosen Kündigungsgrundes.
In der Güteverhandlung vom 03. 08. 2010 erließ das Arbeitsgericht Stendal antragsgemäß Versäumnisurteil und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28. 05. 2010 nicht über den Tag ihres Zugangs bei dem Beschwerdeführer am 23. 06. 2010, sondern vielmehr unter Einhaltung der arbeitsvertraglichen ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31. 07. 2010 aufgelöst worden ist. Dieses Versäumnisurteil wurde bisher lediglich dem Beklagten zu 2. zugestellt.
Mit Beschluss vom 29. 10. 2010 versagte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Es führte aus, dass die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 28. 05. 2010 zwar hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, die Klage jedoch im Hinblick auf den weiteren Rechtsstreit 2 Ca 606/10 (gemeint ist wohl 2 Ca 608/10) mutwillig i. S. v. § 114 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG sei. Der Beschwerdeführer hätte die vorliegende Kündigungsschutzklage im Rahmen der bereits seit dem 21. 05. 2010 anhängigen Zahlungsklage 2 Ca 608/10 (= 2 Ta 182/10) erweitern können. Auf diese Weise hätte er sein Rechtsschutzziel bzgl. der Kündigungsschutzklage auf kostengünstigerem Wege erreichen können. Dieser Einwand sei auch im Rahmen der PKH-Bewilligung zu prüfen.
Der PKH-versagende Beschluss des Arbeitsgerichts Stendal vom 29. 10. 2010 wurde dem Beschwerdeführer zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 03. 11. 2010 (vgl. Bl. 21 PKH-Heft) zugestellt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten am 15. 11. 2010 sofortige Beschwerde eingelegt, vgl. Bl. 23 ff. PKH-Heft.
Er begehrt die Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stendal vom 29. 10. 2010 und die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. aus M.. Hilfsweise begehrt der Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe unter Abzug der vermeidbaren Mehrkosten, die durch zwei getrennte Verfahren an Stelle eines Verfahrens mit einer Klageerweiterung entstanden sind. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass keine Mutwilligkeit gegeben sei. Darüber hinaus sei der Einwand der Mutwilligkeit nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu prüfen, sondern im vorliegenden Fall – da sich die Argumentation des Arbeitsgerichts Stendal lediglich auf die Kostenhöhe auswirke – erst im späteren im Vergütungsfestsetzungsverfahren.
Das Arbeitsgericht Stendal hat der sofortigen Beschwerde ausweislich des Beschluss vom 24. 11. 2010 (vgl. Bl. 30 f. PKH-Heft) nicht abgeholfen. Auf diesen Beschluss wird verwiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Beschwerdeführer eine Frist zur abschließenden Stellungnahme im sofortigen Beschwerdeverfahren bis zum 20. 12. 2010 gewährt. Hierauf hat dieser mit am 20. 12. 2010 eingegangenen Schriftsatz geantwortet.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Landeskasse ist beteiligt worden....