Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarung über die Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge beim Betriebsübergang. Tarifwechselklausel beim Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Gem. § 611a Abs. 1 S. 1 BGB geht das mit dem Betriebsveräußerer bestehende Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten in unveränderter Form auf den Erwerber über. Davon erfasst ist auch die mit dem Veräußerer getroffene Vereinbarung über die Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis.
2. Es steht den Parteien frei, eine derartige Bezugnahmeklausel so auszugestalten, dass die jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge zur Anwendung kommen sollen (sog. Tarifwechselklausel). Dazu ist jedoch erforderlich, dass in der Klausel hinreichend deutlich vereinbart wird, dass nicht nur die gerade für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge, sondern jeweils das Tarifwerk zur Anwendung kommen soll, an das der Arbeitgeber gebunden ist.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 01.04.2015; Aktenzeichen 5 Ca 150/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015 - 5 Ca 150/14 - wird hinsichtlich des Klagantrages zu 4. als unzulässig verworfen.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015 - 5 Ca 150/14 - hinsichtlich der Klaganträge zu 1. - 3 abgeändert: Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. die Tarifverträge des S Konzerns, nämlich
- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in den Einrichtungen der S Kliniken AG
- Vereinbarung tarifvertraglicher Eckpunkte
- Tarifvertrag O-Klinikum 2012
in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31.12.2017 zur Anwendung gekommen sind.
IV. Die Klägerin trägt die Kosten der Beklagten zu 1. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2. je die Hälfte.
V. Die Revision wird für die Beklagte zu 2., jedoch nicht für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Sache über die Frage, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung gekommen sind sowie über die Auszahlung einbehaltener Vergütung und deren Abführung an einen Träger der betrieblichen Altersversorgung durch die Beklagte zu 2. (im Folgenden: Beklagte).
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Funktionsvorgängern seit 01.09.1982 als Krankenschwester in dem seit 01.11.2013 von der Beklagten betriebenen Krankenhaus K, H tätig. Jenes Krankenhaus befand sich bis 2007 in der Trägerschaft des Landkreises O. Während dieser Trägerschaft vereinbarte die Klägerin, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, mit ihrem damaligen Arbeitgeber die Begründung einer betrieblichen Altersversorgung in Trägerschaft der Z. Sachsen-Anhalt nach Maßgabe des ATV.
Im Jahr 2007 übernahm die S-O-Klinikum GmbH (im Folgenden: S GmbH - erstinstanzlich Beklagte zu 1.) den Betrieb des vorgenannten Krankenhauses. Die S GmbH wendete zunächst weiterhin die tariflichen Bestimmungen für den öffentlichen Dienst, insbesondere den TVöD an. Weiter führte die S GmbH die betriebliche Altersversorgung der Klägerin nach Maßgabe des ATV bei der Z. Sachsen-Anhalt fort. Seit 2010 brachte die S GmbH in dem Krankenhaus . die für den S-Konzern geltenden Tarifverträge (S-Tarifverträge) - im Fall der Klägerin einvernehmlich - zur Anwendung. Dies sind insbesondere:
- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in den Einrichtungen der S Kliniken AG
- Vereinbarung tarifvertraglicher Eckpunkte
- Tarifvertrag O-Klinikum 2012.
Eine schriftliche Vereinbarung hierzu ist zwischen der Klägerin und der S GmbH nicht geschlossen worden. Der "aktuelle" Arbeitsvertrag betreffend das vorliegende Arbeitsverhältnis datiert vielmehr vom 30.04.1992 (Bl. 76, 77 d.A.) und enthält u.a. folgende Formulierung:
...
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
...
Die S GmbH übertrug im Wege des sogenannten Asset Deals zum 01.11.2013 das vorgenannte Krankenhaus auf die Beklagte. Diese wendete auf das Arbeitsverhältnis der Parteien den aus dem Jahre 2005 stammenden "Haustarifvertrag (mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)" - im Folgenden: A-Haus-TV - an.
Die Beklagte begründete zugunsten der Klägerin bei dem D. e.V. - die Mitgliedschaft in der Z. Sachsen-Anhalt steht ihr nicht offen - eine betriebliche Altersversorgung zu den bisher geltenden Bedingungen und führte - teil...