Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzugslohnanspruch bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Verzugszeitraum

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Arbeitgeberin hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist (§ 297 BGB).

2. Eine "punktuelle" ärztliche Bescheinigung vom 23.04.2013, wonach es aufgrund des Grundleidens des Arbeitnehmers zu kognitiver Ermüdung kommen kann, reicht nicht aus, eine (auch noch) im Zeitraum 01.08.2013 bis 22.08.2014 bestehende Arbeitsunfähigkeit zu indizieren.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 615, 297, 611 Abs. 1, § 615 S. 1; EFZG § 5 Abs. 1 S. 2; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 07.10.2014; Aktenzeichen 6 Ca 18/14)

ArbG Dessau (Entscheidung vom 10.04.2014; Aktenzeichen 5 Ca 232/13)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 10.04.2014 - 5 Ca 232/13 - und gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 07.10.2014 - 6 Ca 18/14 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten - zunächst in getrennten Rechtsstreiten - über Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug für den Zeitraum 01. August 2013 bis 22. August 2014.

Der zu 50% schwerbehinderte Kläger war seit 01.11.1993 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur, zuerst im Außendienst und seit 01.03.2012 im Innendienst beschäftigt. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden die Tarifverträge der Niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie, u.a. der Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) Anwendung. Der Kläger erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe (EG) 12 Stufe C ERA-TV. Die Auszahlung der Vergütung erfolgte jeweils am letzten Tag des laufenden Monats.

Mit Schreiben vom 07.01.2013 (Bl. 127 d.A.) erklärte die Beklagte eine "Suspendierung/Freistellung" gegenüber dem Kläger. Sie stützt diese auf ihrer Auffassung nach vorliegende schwerwiegende, sie - nach Zustimmung des Integrationsamtes - zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzungen des Klägers, insbesondere einen versuchten Arbeitszeitbetrug.

Der Kläger hat - unstreitig - für den 24.09.2012 einen fehlerhaften Arbeitszeitnachweis ausgestellt. Er hat anstatt des tatsächlichen Arbeitsbeginns um 09.00 Uhr für jenen Tag in die hierfür vorgesehene Spalte einer Excel-Tabelle "08.15 Uhr" eingetragen. Der von der Beklagten anschließend bei dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt/Integrationsamt gestellte, auch auf weitere Pflichtverletzungen gestützte Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung hatte ebenso wie im Anschluss gestellte weitere Anträge auch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren keinen Erfolg. Die hierauf vor dem Verwaltungsgericht Halle erhobene Verpflichtungsklage hat dieses mit Urteil vom 26.06.2014 abgewiesen.

Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem von dem Kläger in einem Parallelrechtsstreit (ArbG Dessau-Roßlau 8 Ca 202/13) erwirkten Urteil hat die Beklagte den Kläger seit dem 25.08.2014 zunächst wieder beschäftigt.

Vor Ausspruch der Suspendierung befand sich der Kläger zunächst vom 27.09. bis 12.10.2012 in Urlaub. Anschließend war er bis 09.01.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Am 08.01.2013 leitete er der Beklagten per E-Mail ein Attest des ihn behandelnden Facharztes Dr. T vom selben Tage zu (Bl. 128 d.A.), in dem dieser dem Kläger das Bestehen einer Arbeitsfähigkeit attestierte. Diese Aussage wiederholte Dr. T in einem weiteren Attest vom 08.01.2013 (Bl. 129 d.A.) sowie vom 25.07.2013 (Bl. 130 d.A.) und bestätigte mit Attest vom 13.01.2014 (Bl. 131 d.A.) die weiterhin bestehende Arbeitsfähigkeit des Klägers. Darüber hinaus existiert ein Attest des Dr. T vom 23.04.2013 (Bl. 102 d.A.), in dem es heißt:

"...

Es ist aus fachärztlicher Sicht zu bestätigen, dass es bei Herrn C im Rahmen seiner Grunderkrankung unter Belastung zu cognitiver Ermüdung kommen kann und in diesem Zusammenhang auch Handlungsfehler vorkommen können.

..."

Bei der Grunderkrankung des Klägers handelt es sich um eine Depression. Das Attest wurde von ihm im Rahmen des Verfahrens vor dem Integrationsamt eingereicht.

Die Beklagte nahm dieses Attest zum Anlass, mit Beginn des Monats Juni 2013 die Vergütungszahlungen an den Kläger einzustellen. Nach ihrer Auffassung sei aus dieser ärztlichen Bescheinigung zu entnehmen, dass der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt sei. Die Beklagte hat daher die Auffassung vertreten, sie schulde dem Kläger ungeachtet des Inhalts des Schreibens vom 07.01.2013 jedenfalls seit Juni 2013 keine Vergütung (mehr).

Der Kläger hat hingegen die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet ihm auch für den Zeitraum 01. August 2013 bis 22. August 2014 Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aufgrund der fortgesetzten Suspendierung zu gewähren, wobei sich der Kläger auf die der Höhe nach unstreitige monatliche Vergütung das von der Bundesagentur für Arbeit g...

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