Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsstilllegung. Betriebsübergang. Handwerksbetrieb. Baugewerbe. Identität der wirtschaftlichen Einheit
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung einer Betriebsstilllegung nebst Neubegründung eines Handwerksbetriebs im Baugewerbe von einem Betriebsübergang.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Urteil vom 05.09.2001; Aktenzeichen 2 Ca 91/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Dessau vom 05.09.2001 – 2 Ca 91/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung wegen Betriebsstilllegung aufgelöst oder im Wege der Betriebsnachfolge auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
Der Kläger war seit 1991/92 als Bauarbeiter bei der … mbH beschäftigt, nachdem er zuvor viele Jahre Genosse bei deren Rechtsvorgängerin, einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH), gewesen ist. Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der … mbH (im folgenden Gemeinschuldnerin).
Im Januar 2001 konnte die Gemeinschuldnerin die Löhne ihrer Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Ihr Geschäftsführer … entschloss sich, den Geschäftsbetrieb mangels Liquidität einzustellen. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Gemeinschuldnerin neben dem Geschäftsführer ca. 35 Arbeitnehmer, nämlich einen Kalkulator, eine Buchhalterin, eine Sekretärin, einen Fuhrparkmeister, mehrere Kolonnenführer sowie Dachdecker und die im Maurerbereich tätigen Handwerker. Unter den Mitarbeitern befand sich auch der Sohn des Geschäftsführers … Am 26.01.2001 kündigte die Gemeinschuldnerin dessen Arbeitsverhältnis zum 09. Februar 2001. Am 02. Februar 2001 stellte sie ihre Betriebstätigkeit ein. Mit Schreiben vom 12. Februar 2001 kündigte sie ihren verbliebenen Mitarbeitern, darunter dem Kläger, ordentlich; lediglich der Geschäftsführer und die Buchhalterin wurden kurze Zeit später gekündigt. Am 20.02.2001 stellte der Geschäftsführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 28.03.2001 wurde der Beklagte zu 1) zum vorläufigen Verwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt; am 17.05.2001 erfolgte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Bestellung zum Insolvenzverwalter. Eine betriebliche Tätigkeit nahm er nicht mehr auf.
Am 06.02.2001 gründete der Sohn des Geschäftsführers … durch notariellen Geschäftsvertrag als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer die Beklagte zu 2), die am 27.04.2001 ins Handelsregister eingetragen wurde. Bei der Gründung gab er als Geschäftsadresse die Anschrift der Beklagten zu 1) an. Am 07.02.2001 meldete er die Beklagte zu 2) bei der Handwerkskammer zur Eintragung in die Handwerksrolle mit Wirkung zum 27.04.2001 für Maurer-, Beton- und Gerüstbauarbeiten ebenfalls unter der Anschrift der Beklagten zu 1) an. Als „fachlichen Betriebsleiter” gab er seinen Vater … an. Er selbst stand bereits seit längerem in einer baugewerblichen Ausbildung zum Meister, die im Frühjahr 2002 mit dem Erwerb des Meisterbriefes enden sollte. Am 12.02.2001 erwarb er aus dem Fuhrpark der Gemeinschuldnerin, der insgesamt 13 Fahrzeuge umfasste, drei Transporter und einen Pkw zum Preis von 500,00 DM. Nach konkursrechtlicher Anfechtung durch den Beklagten zu 1) einigte er sich später auf eine ratenweise Nachzahlung von ca. 17.000,00 DM. In der Folgezeit bewarb sich die Beklagte zu 2) um Bauaufträge, wobei sie die Privatanschrift ihres Geschäftsführers … als Betriebssitz angab (Berliner Chaussee in Wittenberg). Am 26. März 2001 nahm sie unter der neuen Geschäftsanschrift Hallesche Straße in Wittenberg ihre Bautätigkeit auf. Ende März und Anfang April stellte sie zunächst drei ehemalige Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin ein, drei weitere folgten Mitte Mai und Mitte November. Auf Vermittlung der Handwerkskammer führte sie die Ausbildung einer ehemaligen Auszubildenden der Gemeinschuldnerin fort; die Kosten der Ausbildungsvergütung trug die Handwerkskammer. Seit dem 01.07.2001 ist der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin … als geringfügig Beschäftigter für die Beklagte zu 2) tätig. Unvollendete Bauvorhaben der Gemeinschuldnerin führte die Beklagte zu 2) nicht fort. Auch übernahm sie keine bereits aquirierten Aufträge. Für die Fa. Globus Partner Hausgesellschaft mbH errichtete sie in der Folgezeit 2 Einfamilienhäuser. Auch die Gemeinschuldnerin hatte mit dieser Firma in Geschäftskontakt gestanden.
Mit seiner binnen drei Wochen nach Kündigungszugang beim Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der Kläger – neben weiteren Kollegen – gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er hat vorgebracht, es fehle an einer Betriebsstilllegung. Die Beklagte zu 2) habe den Betrieb oder einen Betriebsteil der ehemaligen Gemeinschuldnerin übernommen und führe ihn fort. Dies ergebe sich aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände. Die Beklagte zu 2) habe nahezu zeitgleich mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gemeinschuldnerin ihre Geschäftstätigk...