Entscheidungsstichwort (Thema)

"Finanzierung aus Mitteln Dritter" i.S.d. § 2 Abs. 2 WissZeitVG. Beschäftigung entsprechend der Zweckbestimmung i.S.d. § 2 Abs. 2 WissZeitVG. Verhinderung des institutionellen Rechtsmissbrauchs bei häufigen Befristungen. Begrenzter Rückgriff auf § 14 Abs. 2 TzBfG. Zulässigkeit von Vertragslaufzeiten nach § 2 WissZeitVG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine "Finanzierung aus Mitteln Dritter" liegt vor, wenn ein Projekt nicht aus den der Hochschule oder Forschungseinrichtung zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird. "Überwiegend" erfolgt die Finanzierung der Beschäftigung, wenn die konkrete Stelle zu mehr als 50 % aus den Drittmitteln finanziert wird.

2. Das Merkmal "Beschäftigung entsprechend der Zweckbestimmung" soll in erster Linie die Interessen des Drittmittelgebers schützen und zugleich verhindern, dass der aus Drittmitteln finanzierte Mitarbeiter zur Erfüllung allgemeiner Hochschulaufgaben eingesetzt und der Befristungsgrund somit nur vorgeschoben wird, um Daueraufgaben zu erfüllen. Wegen der zusätzlichen Aufnahme des Tatbestandsmerkmals "überwiegend" in § 2 Abs. 2 WissZeitVG erfordert eine Befristung nach dieser Bestimmung, dass sich der Mitarbeiter zu mehr als 50 % der Arbeitszeit dem drittmittelfinanzierten Vorhaben widmet.

3. Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, auch bei Vorliegen eines Sachgrunds für die Befristung durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen.

4. Für die Rechtfertigung mehrerer Befristungen kann grundsätzlich auf die Vorschrift des § 14 Abs. 2 TzBfG zurückgegriffen werden. Allerdings lässt das WissZeitVG für wissenschaftliches Personal an Hochschulen in weitaus größerem Umfang sachgrundlose Befristungen zu als § 14 Abs. 2 TzBfG.

5. Vertragslaufzeiten, mit denen die am Qualifikationsziel ausgerichtete Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 WissZeitVG ausgeschöpft wird, sind ohne Hinzutreten weiterer Umstände stets angemessen und nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch zu begründen.

 

Normenkette

RL 1999/70/EG Anh. § 5 Nr. 1 Buchst. b); WissZeitVG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2; TzBfG § 14 Abs. 2, § 17 S. 1; HRG a.F. § 57b

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 12.08.2020; Aktenzeichen 6 Ca 818/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 12.08.2020 - 6 Ca 818/19 - abgeändert.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung am 31.03.2019 geendet hat.

Der Kläger (*.. 1970, 2 Kinder, geboren 2006 und 2009) war zunächst vom 01.11.1997 - 31.07.1998 und vom 01.08.1998 - 31.08.1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem beklagten Land beschäftigt. Als Befristungsgrund wurde in den Arbeitsverträgen § 57 b Absatz 2 Nr. 4 Hochschulrahmengesetz (nachfolgend: HRG) angegeben.

Sodann erfolgte seine Beschäftigung in der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik als wissenschaftlicher Mitarbeiter:

01.01.1998 - 31.12.2002

01.01.2003 - 31.10.2003

01.11.2003 - 31.10.2003

01.11.2003 - 31.10.2004

01.11.2004 - 28.02.2005

01.03.2005 - 31.12.2005

01.01.2006 - 31.12.2006

01.01.2007 - 29.02.2008

In den schriftlichen Arbeitsverträgen wurde auf § 57 b HRG Bezug genommen und vereinbart, das Arbeitsverhältnis solle zugleich die wissenschaftliche Weiterqualifizierung mit dem Ziel der Promotion ermöglichen. Am 16.04.2007 wurde dem Kläger die Promotionsurkunde verliehen. Mit am 19.12.2007 bei dem beklagten Land eingegangenem Schreiben begründete Prof. Dr. ... von dem Lehrstuhl für Halbleitertechnologie die Weiterbeschäftigung des Klägers zum Zwecke der Habilitation. Weiter schlossen sich nachfolgende schriftliche Arbeitsverträge an:

01.03.2008 - 15.04.2013

15.04.2013 - 15.06.2013

16.06.2013 - 15.10.2013

In den Arbeitsverträgen wurde auf das Wissenschaftszeitgesetz (nachfolgend:

WissZeitVG) verwiesen. In der Zeit vom 11.07.2010 - 10.09.2010 wurde dem Kläger antragsgemäß Elternzeit gewährt und zudem schriftlich mitgeteilt, dass sich das befristete Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit um die Zeiten der Elternzeit verlängere. Unter dem 13.06.2013 befürwortete das beklagte Land - Dezernat für Personalwesen - die beantragte Weiterbeschäftigung des Klägers vom 16.06.2013 - 15.10.2013 im Rahmen der Kinderkomponente. In dieser Zeit war der Kläger in Projektarbeiten eingebunden, führte Lehraufträge, teilweise auch in englischer Sprache, fort und betreute Studenten, auch im Rahmen von Diplomarbeiten.

Nachfolgend war der Kläger beschäftigt:

16.10.2013 - 31.01.2014

01.02.2014 - 30.06.2015

01.07.2015 - 31.07.2015

01.08.2015 - 31.01.2016

01.02.2016 - 30.04.2016

01.05.2016 - 30.06.2016

01.07.2016 ...

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