Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung einer Abmahnung aus Personalakte

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Unwirksamkeit einer Abmahnung wegen „überschießender” inhaltlicher Bestandteile.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Entscheidung vom 20.07.1999; Aktenzeichen 5 Ca 1308/99)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20. Juli 1999 – 5 Ca 1308/99 – wird auf Kosten des Landeszurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.

Der 1941 geborene Kläger ist sei 1963 als Lehrkraft im Schuldienst bei dem beklagten Land bzw. dessen Rechtsvorgänger beschäftigt. Die Vergütung erfolgt nach der Vergütungsgruppe II a BAT-O. Bis zum 23.09.1998 war er als Lehrer der Fächer Sport und Biologie an dem Novalis-Gymnasium in Hettstedt tätig.

Mit Schreiben vom 13.11.1998, dem Kläger zugegangen am 20.11.1998, erteilte die Beklagte dem Kläger die nachfolgende Abmahnung:

„…

Abmahnung

Sehr geehrter Herr

am 04.09.1998 unterrichteten Sie als Fachlehrer für Biologie in der Klasse 10a des

In dieser Biologiestunde gaben Sie die Einführung in den Lehrgang Zellbiologie. Dabei äußerten Sie sich gegenüber den Schülern sinngemäß wie folgt:

„Zur interessanten Unterrichtsgestaltung könnte man auch die Beweglichkeit von Spermien mit dem Mikroskop betrachten. Die Bereitstellung könnte nicht im Klassenraum erfolgen, sondern die Jungen müßten sich dazu schon mit einem Gläschen zur Toilette begeben”.

Die Schüler der Klasse 10a empfanden bei dieser Aufforderung Ekel und Unwohlsein. Die Schüler waren schockiert, als sie die Ernsthaftigkeit Ihrer Äußerung erkennen mußten, hatten sie doch deren Richtigstellung erwartet. In dieser besagten Biologiestunde herrschte nach Aussagen der Schülerschaft der Klasse 10a insgesamt eine eigenartige Atmosphäre, die dadurch verstärkt wurde, dass Sie zum Ausdruck brachten, den Mädchen im Sportunterricht keine Hilfestellung geben zu können, aus Furcht vor unsittlichen Berührungen.

Aufgrund einer Elternbeschwerde vom 07.09.1998 führte der Schulleiter des Novalis-Gymnasiums, Herr Sommer, am 08.09.1998 ein Gespräch mit Ihnen.

Sie bestritten die o. g. Äußerung in besagter Biologiestunde am 04.09.1998 nicht, und Sie begründeten Ihr Ansinnen einer mikroskopischen Spermauntersuchung u. a. damit, dass

„ein moderner Lehrer auch bereit sein muss, neue Wege zu gehen”.

Durch eindringliches Einwirken des Schulleiters ist das Vorhaben nicht realisiert worden.

Am 11.09.1998 sind Sie zur schriftlichen Stellungnahme zum Sachverhalt aufgefordert worden. Diese liegt trotz wiederholter Mahnung bis dato nicht vor. In diesem Gespräch am 11.09.1998 mit dem Schulleiter, Herrn S., begründeten Sie Ihr Verhalten damit, dass Spermauntersuchungen im Unterricht nötig seien.

In Bezug auf die Reaktion der Eltern äußerten Sie wörtlich: „Die sollen sich nicht so haben, denn abends ziehen sie sich doch auch nur Pornos rein”.

Auch im Personalgespräch vom 18.09.1998 gaben Sie keine weiteren Erklärungen zu Ihrem Verhalten ab und nutzten die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung nicht.

Ihre getätigten Äußerungen muss ich mit Befremden zu Kenntnis nehmen. Als Pädagoge und insbesondere als Fachlehrer für Biologie obliegt Ihnen der verantwortungsvolle Umgang mit dem Thema Sexualität.

Die Führung des Unterrichts hat sich durch Sensibilität und Feingefühl auszuzeichnen.

Die schulische Sexualerziehung kann keinem bestimmten Unterrichtsfach zugeordnet werden, sie ist vielmehr fächerübergreifende erzieherische Aufgabe jeder Lehrkraft in allen Schulformen und in allen Unterrichtsfächern.

Sie soll gerade innere Stabilität und soziale Kompetenz zur Orientierung und Hilfe für die Schülerinnen und Schüler bezüglich ihrer geschlechtlichen Identität und Entwicklung ihrer Sexualität vermitteln.

Diesem Grundsatz sind Sie insbesondere mit Ihrer Unterrichtsführung am 04.09.1998 in der Biologiestunde der Klasse 10a nicht gerecht geworden und haben ihn vielmehr verkehrt.

Als Pädagoge obliegt Ihnen aber im Umgang mit dem Thema Sexualität eine Vorbildfunktion gegenüber den Schülern. Dieser Vorbildfunktion haben Sie mit Ihrem Verhalten am 04.09.1998 und den danach in Klärung des Sachverhaltes gegebenen Äußerungen in keinster Weise genügt.

Der Erlass zur Sexualerziehung an allgemeinbildenden Schulen des LSA (RdErl. Des MK vom 02.07.1996 – 3.12/4-82113) sowie die Rahmenrichtlinien sehen eine mikroskopische Untersuchung von Sperma nicht vor. Zudem hat die Sexualerziehung gemäß Punkt 4 des o. g. Runderlasses vom 02.07.1996 in Abstimmung mit den Eltern durch Information an die Eltern über geplante sexualkundliche Unterrichtsvorhaben zu erfolgen. Dies ist ausdrücklich auch in §§ 1 Abs. 4, 59 Satz 2 Schulgesetz LSA normiert.

Die Einbeziehung und Abstimmung mit den Eltern haben Sie pflichtwidrig unterlassen. Ihr Unterrichtsstil lässt eine sachliche, die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler fördernde und deren moralische Integrität wahre...

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